Ameisenplage in der Isolierwolle

Beratung bei Problemen mit Ameisen gibt es in diesem Forum.

Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Ameisenplage in der Isolierwolle

Beitrag von jojo »

Sehr geehrte Damen und Herren,

anbei ein großes Anliegen. Wir haben letztes Jahr unser Dachgeschoss ausgebaut bzw. mit Isolierwolle gedämmt. Bei den Spenglerarbeiten wurde jedoch gepfuscht, wodurch es bei der diesjährigen Schneelage nass hineinging. Vor kurzem hatten wir plötzlich fliegende Ameisen (nach meinen Erkundigungen, auch gestützt durch einen „Ameisenhobbyexperten“ Lasius niger) an der Zimmerdecke. Mit jedem Tag wurden es mehr, was zur teilweisen Eröffnung der Zimmerdecke führte, um dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Etliche Ameisen waren in der (noch) nassen Isolierwolle zu finden. Wir kämpfen nun seit ca. zwei Wochen – bewaffnet mit Staubsauger und unzähligen Köderboxen. Wie wir bis jetzt erkannt haben, gibt es auch bei Ameisen einen Biorhythmus, denn immer zwischen zwei – fünf Uhr nachmittags ist deren Aktivzeit und unzählige Königinnen verlassen das (uns unbekannte) Nest bzw. wie wir vermuten, die Nester.
Nun meine Fragen: Ist es notwendig, die gesamten Dachbretter wieder zu entfernen und die Ameisen somit auszurotten?
Es gibt bestimmte „Knotenpunkte“, an denen wir Ameisenköderboxen aufgestellt haben. Ist dies ausreichend?
Gibt es unterschiedliche Qualitäten betreffend den Köderboxen bzw. gibt es wirksamere Methoden?
Wieso fressen die Königinnen nicht an den Boxen (wir haben noch keine einzige tote Königin gefunden, im Gegensatz zu unzähligen Arbeiterinnen und fliegenden Männchen).
Wie lange kann die Plage noch dauern bzw. löst sich das Problem von selbst, wenn alle ausgeflogen sind?
Auch wenn keine Ameisen mehr auftreten, können nächstes Jahr erneut welche auftreten (Rückkehr der Brut an den Ort des Schlüpfens?)?
Wie groß kann ein Nest sein?
Welchen Zugangsweg wählen Ameisen? Kann es auch sein, dass sich eine Königin fliegend an die geeignete Stelle einnistet?

Sie sehen, eine Menge Fragen, die uns in diesen Tagen insbesondere aus Unwissenheit beschäftigen.

Vielen Dank für Ihre Rückantwort.
schmidi
Beiträge: 42
Registriert: 23. Jun. 2004, 10:45

Beitrag von schmidi »

Hallo Jojo.

Lasius niger sind bekannt dafür, dass es ihnen in Wohnungen und Häusern auch recht gut gefällt.

Hier einige Antworten zu Ihren Fragen:
Ist es notwendig, die gesamten Dachbretter wieder zu entfernen und die Ameisen somit auszurotten?
Im Normalfall nicht. Ich würde da nichts überstürzen. Sollten Sie aus irgendeinem Grund der Plage tatsächlich nicht Herr werden, dann ist vielleicht die Hilfe eines Kammerjägers einfacher und günstiger.
Es gibt bestimmte „Knotenpunkte“, an denen wir Ameisenköderboxen aufgestellt haben. Ist dies ausreichend?
Gibt es unterschiedliche Qualitäten betreffend den Köderboxen bzw. gibt es wirksamere Methoden?

Köderboxen sind in diesem Fall wohl die beste Möglichkeit. Ja, es gibt unterschiedliche Qualitäten. Allgemein gilt der Wirkstoff Borax (v.a. auch bei Lasius niger) als effektiv. Näheres hierzu finden Sie von Gerhard Heller in diesem Thread: http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/ ... .php?t=331
Wieso fressen die Königinnen nicht an den Boxen (wir haben noch keine einzige tote Königin gefunden, im Gegensatz zu unzähligen Arbeiterinnen und fliegenden Männchen).
Die (noch unbegatteten) Königinnen wollen sich, wenn sie schwärmen, nicht mit Fressen aufhalten, sondern so schnell wie möglich ins Freie gelangen, um dort ihre Männchen von anderen Nestern zu finden. Deshalb sind die schwärmenden Weibchen (unbegattete Königinnen) auch nicht das Problem. Sie gehen und kommen nicht wieder. (Es gibt wohl Arten, bei denen das anders ist, aber nicht bei Lasius niger). Die noch im Nest verbliebenen Weibchen werden allerdings von den Arbeiterinnen gefüttert und sterben dann ebenfalls am Gift. Männchen sind recht kurzlebig. Daher haben Se wohl einige tote gefunden. Das muss nicht heißen, dass sie durch das Gift gestorben sind.

Wie lange kann die Plage noch dauern bzw. löst sich das Problem von selbst, wenn alle ausgeflogen sind?
Ja, das Schwarm-Problem löst sich von selbst. Die Kolonie aber bleibt (wenn nichts unternommen wird).
Auch wenn keine Ameisen mehr auftreten, können nächstes Jahr erneut welche auftreten (Rückkehr der Brut an den Ort des Schlüpfens?)?
Die ausgeschwärmten Königinnen kehren nach ihrer Begattung nicht zurück. Sie suchen nach einem Ort, um jede für sich eine neue Kolonie zu gründen. Aber die alte Königin, die ja nicht ausschwärmt, bleibt.


Liebe Grüße
schmidi
Buschinger
Beiträge: 1490
Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
Wohnort: Reinheim

Beitrag von Buschinger »

Hallo jojo,

Schmidi hat Sie ja schon richtig informiert.
Falls aber die Bestimmung als Lasius niger nicht zutrifft, kann manches anders aussehen. "Dachgeschoss", "Isolierwolle", "Zimmerdecke": Das lässt mich eher auf eine andere Lasius-Art tippen, L. brunneus oder L. emarginatus! Die würden nämlich überhaupt nicht an Köderdosen gehen. Ansonsten sieht man bei diesen Arten kaum je eine Arbeiterin im Haus, und nur über einen kurzen Zeitraum im Frühsommer kommen massenhaft Geflügelte in die Zimmer.
Ich würde vorschlagen, dass Sie mir ein paar Tiere (möglichst Arbeiterinnen!) zur Bestimmung zusenden. Einfach 5-6 Tiere mit Tesafilm aufnehmen und auf ein Blatt Papier kleben, in Umschlag und an mich adressieren:
Prof. Dr. A. Buschinger
Rossbergring 18
64354 Reinheim

Selbst wenn sie etwas zerdrückt werden, ist die Bestimmung fast immer noch möglich (es sei denn, es handelt sich um etwas ganz anderes).

Viele Grüße,
A. Buschinger
schmidi
Beiträge: 42
Registriert: 23. Jun. 2004, 10:45

Beitrag von schmidi »

@ jojo
@ Buschinger

Können Sie mich auf dem Laufenden halten, was bei Bestimmung und Bekämpfung herauskam? Interessiert einen natürlich, ob man etwas zu einer Lösung beitragen konnte.

:D
schmidi
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Sehr geehrter Prof. Buschinger, sehr geehrter Schmidi,

vielen Dank für die wirklich flotte Rückantwort (ich bin immer wieder über das Medium Internet und seine Möglichkeiten fasziniert), die mich schon mal etwas beruhigt hat. Wir werden gleich morgen auf Ameisenfang starten und Ihnen sehr gerne die Exemplare zusenden.
Eigentlich finden wir ja Ameisen ein faszinierendes Völkchen. Gibt es – auch für den Laien – verständliche Literatur? Mich würde insbesondere deren Sozial- und Kommunikationssystem interessieren und über diese Dinge etwas Näheres erfahren.
Noch eine Frage am Schluss: Die verbleibende Königin wird von den Arbeiterinnen gefüttert und müsste deshalb auch durch die Giftnahrung durch den Köder sterben. Bzw. kann eine Königin bei zerfallenen Staat überhaupt überleben (ich habe mal gehört, dass Ameisen eine bestimmte „Bevölkerungszahl“ benötigen, um ihre Strukturen aufrecht zu erhalten bzw. als Staat zu überleben). Ist dies richtig?

Vielen Dank und noch einen schönen Abend
Buschinger
Beiträge: 1490
Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
Wohnort: Reinheim

Beitrag von Buschinger »

Hallo jojo:
Noch eine Frage am Schluss: Die verbleibende Königin wird von den Arbeiterinnen gefüttert und müsste deshalb auch durch die Giftnahrung durch den Köder sterben. Bzw. kann eine Königin bei zerfallenen Staat überhaupt überleben (ich habe mal gehört, dass Ameisen eine bestimmte „Bevölkerungszahl“ benötigen, um ihre Strukturen aufrecht zu erhalten bzw. als Staat zu überleben). Ist dies richtig?
Die funktionelle Königin in einem Volk muss ja viele Tausende von Eiern legen. Deren Ausstattung mit Dotter-Eiweißen kann sie nicht alleine synthetisieren. Sie benötigt Vorstufen solcher Dotterproteine, die sie in Form von Drüsensekreten von den Arbeiterinnen bekommt. Sie erhält also normalerweise kein „Rohfutter“, sondern nur bereits durch die Arbeiterinnen „aufgewertetes“ Spezialfutter. Die Arbeiterinnen sterben, wenn sie vergiftetes Futter verdauen, folglich können sie das Gift nicht mit den Drüsensekreten an die Königin weitergeben. Das ist seit 1973 bekannt; die Fiktion, nach der die Arbeiterinnen das Gift zur Königin tragen, wird in der Werbung für Bekämpfungsmittel dennoch eifrig weiter aufrechterhalten. Sie ist doch so schön „einleuchtend“ für Laien und damit für die Kundschaft!

Wenn ein genügend großer Prozentsatz der Arbeiterinnen vergiftet wird, bricht das System zusammen und die Königin stirbt schließlich auch. Die Grenze dürfte bei deutlich über 90 % des Volkes liegen. Das Problem liegt darin, dass die Tiere bei allen Giftköderaktionen nebenher auch noch ihre normalen, reichlichen Futterquellen nutzen. So werden eher selten genügend Arbeiterinnen vergiftet um ein Volk wirklich allmählich auszurotten. Zumindest muss man das Gift dann über viele Wochen oder Monate anbieten. Hinzu kommt, dass manche Ameisenarten anscheinend auch lernen, für sie schädliches Futter, also Giftköder, zu meiden. Das sollte mal systematisch erforscht werden, was aber von den Herstellern der „Ameisenmittel“ meines Wissens nie gemacht wurde.

Zu Ihrer Frage nach Literatur:

1.) Bert Hölldobler, Edward O. Wilson (2001): Ameisen, Die Entdeckung einer faszinierenden Welt. ISBN: 3492234143
Sehr empfehlenswert! Leicht verständlich geschrieben, von den beiden führenden Ameisenforschern der Welt.

2.) Klaus Dumpert (1994): Das Sozialleben der Ameisen
ISBN: 3826329309
Eher lehrbuchartig, aber inhaltsreich und wissenschaftlich korrekt.

3.) Walter Kirchner (2001): Die Ameisen
ISBN: 340644752X
Kleines und preisgünstiges Büchlein, mit besonderer Betonung auf Hügel bauenden Waldameisen. Wissenschaftlich korrekt

Bei Amazon.de sind die Preise am schnellsten abzufragen sowie auch Kurzbesprechungen (soll keine Werbung für diesen Versand sein).

Vorsicht: Es gibt in diversen Ameisenforen zahlreiche weitere „empfohlene“ Bücher. Ich nenne sie aus guten Gründen nicht!

Hier im DASW-Forum gibt es weitere, aber eher spezielle Literaturhinweise sowie Besprechungen, die auch vor Fehlkäufen schützen können:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/ ... 1757ac0d24

Viele Grüße,
A. Buschinger
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Sehr geehrter Herr Buschinger,

Vielen Dank für die Rückantwort.
Die Exemplare sind zur Bestimmung unterwegs. Bitte könnten Sie die Ergebnisse auch für Schmidi ins Netz stellen.

Momentaner status quo: wir haben ein paar Deckenbretter gelöst und diesen Bereich verschiedene Köderboxen installiert, außerdem die verbleibende Isolierwoche mit Spray besprüht. Interessant zu beobachten war, dass in den letzten Tagen der Flug von Königinnen immer weniger wurde, gestern beispielsweise nur noch 4 Stück zu finden waren (im Gegensatz zu ca 30 die Tage davor). Dagegen konnten wir ein sehr unruhiges Verhalten der Arbeiterinnen beobachten, die (für uns) sehr ziellos durch die Gegend liefen. Die meisten fielen aus der Decke auf den Boden und suchten das "Weite". Um dies zu verhindern, haben wir in diesen Bereich eine Arbeitsfolie ausgelegt (was den Weg schon erschwerlich machte) und mit doppelseitigen Klebeband bzw. Leimstreifen deren "Flucht" unterbunden. Ein probates und effektives Mittel, das ich wirklich empfehlen kann. Auch wenn es uns manchmal erstaunt hat, wie so die eine oder andere Ameise es doch durch diese Barrieren geschafft hat...

Schöne Grüße
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Nochmals Fragen zu meinem „Exemplaren“:

Wie oft legt die funktionelle Königin Eier im Jahr?
Gibt es bestimmte Pheromone, die man als Lockstoff einsetzen kann?

Vielen Dank für die Beantwortung.
Buschinger
Beiträge: 1490
Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
Wohnort: Reinheim

Beitrag von Buschinger »

Hallo jojo

Die Ameisen sind angekommen.
Zu meiner Überraschung handelt es sich um Lasius platythorax., eine nahe Verwandte der allgemein verbreiteten Schwarzgrauen Wegameisen Lasius niger (die beiden sind schwer zu unterscheiden; Ihr “Ameisenhobbyexperte“ lag also fast ganz richtig!).

Das ist insofern günstig, als diese Art diverse Fraßköder annehmen dürfte, das Ausbringen der Köderdosen somit nicht vergebens war.
Überraschend ist das Vorkommen unter den geschilderten Umständen insofern, als diese Ameise bevorzugt in Waldland oder moorigen Bereichen vorkommt.
Ist das Dach Ihres Hauses begrünt? Von Moos bewachsen? Ist das Haus in einen Hang gebaut, so dass das Dach m.o.w. nahe an eine Böschung heranreicht? Von Bäumen überschattet? Ist die Außenwand mit Holz verkleidet? – Ich kenne Ihren Wohnort ein wenig und weiß, dass es da Anwesen gibt, die diese Kriterien erfüllen.

Auf jeden Fall sollten die Ameisen, selbst wenn sie sich durch die Fraßköder nicht restlos tilgen lassen, bei völliger Austrocknung der Isolierwolle endgültig verschwinden, denn die Art benötigt Feuchtigkeit im Nest.

Erstaunlich ist das Auftreten geflügelter Jungweibchen und Männchen nur ein Jahr nach dem vermuteten Fehler des Spenglers: Ein Volk von Lasius platythorax wird durch eine junge Königin gegründet (z.B. jetzt, während der Hochzeitsflüge). Dann benötigt es aber mindestens 3-4 Jahre um so stark heranzuwachsen, dass junge geflügelte Weibchen aufgezogen werden können. Der Befall des Dachgeschosses müsste damit älter als das eine Jahr sein, oder ein ganzes Volk wäre aus der Umgebung (Garten?) im letzten Herbst bzw. in diesem Frühjahr in den „Nistplatz“ feuchte Isolierwolle umgezogen.

Wenn das Volk nicht ausgerottet wird, werden von diesem (mit nur einer, aber sehr langlebigen Königin – bis über 20 Jahre möglich!) jedes Jahr wieder junge geflügelte Männchen und Jungköniginnen aufgezogen.

Wird das Volk ausgerottet, aber der Nistplatz (feuchte Isolierwolle) bleibt bestehen, kann sich immer wieder eine junge Königin darin niederlassen und eine neues Volk gründen; dann hätten Sie 3-4 Jahre später wieder ein Auftreten junger Geflügelter, usw… Zugangswege sind kleinste Spalten und Ritzen in der Dachverkleidung.

Es reichen ganz wenige Köderdosen, je nach Größe des Raumes, in dem Ameisen auftauchen. Die Ködermischungen sind so ausgelegt, dass sie für Ameisen attraktiv sein sollten, also dass sie gegenüber der normalen Nahrung bevorzugt werden. Zumeist werden solche Köder an L. niger gestestet. Ein paar andere Lasius-Arten, die häufig in Häusern vorkommen, verschmähen diese Köder allerdings; dies ist der Grund, weshalb ich immer empfehle, die Tiere zuerst bestimmen zu lassen.

Die jungen, geflügelten Königinnen gehen nicht an die Köderdosen, weil sie mit Nahrungsreserven voll gestopft sind und keine Nahrung mehr aufnehmen brauchen. Die „wollen“ nur noch auf Hochzeitsflug gehen. Nach der Paarung muss so eine junge Königin ohnehin in der Koloniegründungszeit bis zur Aufzucht ihrer ersten Arbeiterinnen fasten (Sie schafft die Aufzucht von ca. 5-10 kleinen Arbeiterinnen allein aus ihren Körperreserven!). Das kann bei L. platythorax bis zum nächsten Frühjahr dauern.

Mit freundlichen Grüßen,
A. Buschinger

PS zu Ihren beiden letzten posts:

9. Juli: Die funktionelle Königin legt vom Frühjahr bis in den Frühherbst ziemlich kontinuierlich Eier, aus denen Tausende von Arbeiterinnen aufgezogen werden.

Pheromone als Lockstoffe gibt es nicht.

8.Juli: Der Hochzeitsflug junger Geschlechtstiere findet nur im Frühsommer bis Hochsommer (Mitte Juni bis Anfang August) über einen begrenzten Zeitraum hinweg statt. Das kann nun von Natur aus zu Ende sein. Das "unruhige Verhalten der Arbeiterinnen" kann sowohl auf Vergiftunge durch die Köder als auch durch den Spray (was haben Sie gesprüht?) verursacht sein.
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Jojo,

wahrscheinlich hilft bei Ihrem Ameisenproblem nur ein Fraßgiftköder weiter. Auf keinen Fall sollten Sie gleichzeitig ein Kontaktinsektizid sprühen, da dies nur die Fouragierung der Ameisen am Köder unterbinden würde.
Zu geeigneten bzw. nicht geeigneten Wirkstoffen habe ich im Forum ja einiges im Zusammenhang mit dem Rossameisenbefall gesagt. L. plathythorax, der sich bei Ihnen als der Problemverursacher herausgestellt hat, kann aber bezüglich der Köderakzeptanz durchaus anders reagieren als L. niger. Im vergangenen Jahr führte ich Akzeptanztests mit einer Köderformulierung mit dem Wirkstoff Chlorpyriphos an L. niger-Völkern im Freiland durch. Bis auf eine Ausnahme wurde der Köder hervorragend angenommen. Die „Ausnahme“ hauste in einem Blumenkübel und war ein noch relativ kleines Völkchen, wie an den kleinen Arbeiterinnen zu erkennen war. Diese scheuten den Köder wie der Teufel das Weihwasser. Das Aussehen war etwas glänzender als bei L. niger üblich, und die genauere Betrachtung unter dem Bino zeigte, dass es plathythorax war. Ich weiß nun nicht, ob dies eine Ausnahme war oder ob plathythorax generell auf Chlorpyriphos mit Ablehnung reagiert. Der gleiche Köder wurde übrigens von L. emarginatus wiederum sehr gut angenommen. Es handelte sich dabei um einen Befall in einem Haus. Ich bekam in der letzten Woche die Tiere zur Bestimmung zugleich mit Angaben zur Bekämpfung und zum Köder. Die Nachfrage ergab, dass der Befall deutlich reduziert war.
Von den derzeit erhältlichen Ködern würde ich Ihnen zu einem Päparat mit dem Wirkstoff Fipronil raten. Das Zeug ist unwahrscheinlich giftig für Ameisen. Es ist ja nicht so, dass die Wirkung nur durch Weiterverfütterung erzielt wird. Vielfach würgen die Ameisen den aufgenommenen Köder mit dem Einsetzen von Vergiftungssymptomen wieder hervor. Dieses Erbrechen führt zu einer Kontamination des Nestes und zur Vergiftung über Kontakt. Bei Fipronil ist dies so extrem, dass ich das Versuchsnest (Gipsblock mit Nestkammern) nicht mehr verwenden konnte. Arbeiterinnen von L. niger, die ich eine Woche nach einem zuvor durchgeführten Versuch in dieses Nest setzte, entwickelten nach einem Tag deutliche Symptome. Selbst ein Waschgang in der Spülmaschine beseitigte die Kontamination nicht vollständig.
Leider steht ein Präparat mit Spinosad (basierend auf dem mikrobiellen Wirkstoff Spinosyn) derzeit noch nicht zur Verfügung. Sie müssten sich also bis zum nächsten Jahr gedulden. Dass Spinosad nicht nur im Laborversuch sondern auch unter natürlichen Bedingungen hervorragend wirkt, testete ich im Freilandversuch an L. niger. Vier Völker wurden in wenigen Tagen nach nur einmaliger Köderung anscheinend vollständig getilgt. Zumindest war keinerlei Aktivität an Nesteingängen oder unter Neststeinen erkennbar – aber es waren auch kaum tote Arbeiterinnen zu sehen. Den Erfolgsbeweis lieferten in drei Fällen einige Tage später (nach einer Kaltwetterperiode) benachbarte Tetramorium-Völker. Sie besetzten die ehemaligen L. niger-Nester und schleppten Unmengen an Brut (darunter viele lebende Larven) und toten Arbeiterinnen heraus. Erfreulicherweise wurde dadurch bei den Tetramorium keine Sekundärvergiftung ausgelöst. Seit Abzug der Tetramorium lebt unter einem der Neststeine seit Wochen eine Tapinoma-Kolonie, ebenfalls ohne negative Folgen. Die Spinosyne werden im Gegensatz zu Fipronil im Boden rasch abgebaut.
Aus der Palette guter Wirkstoffe wäre noch Na-Kakodylat zu erwähnen. Anscheinend sind aber Köder mit diesem Wirkstoff nicht mehr im Handel. Unter dem Trivialnamen Kakodylsäure bzw. Kakodylat (also dem Salz) verbirgt sich nämlich die Methylarsonsäure bzw. das -arsonat, also ein Arsenderivat. Nun hat Arsen nicht erst in Kombination mit „Spitzenhäubchen“ einen schlechten Ruf. Dabei ist allerdings die Methylarsonsäure nicht einmal besonders giftig für Warmblüter. Arsen wird nämlich vom Organismus zu dieser Verbindung metabolisiert (entgiftet) und ausgeschieden. Wie gesagt, ist wohl nicht mehr „in“, war aber sehr gur wirksam. Ein schwerer Befall mit L. brunneus in einem Haus in Bad Kreuznach wurde nachhaltig mit einem Kakodylat-Köder getilgt. Es wäre also etwas zur Eigenproduktion (gesättigte Zuckerlösung mit 2% Kakodylat), was evtl. ein Schädlingsbekämpfer herstellen könnte.

Viel Erfolg
G. Heller
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Hallo Herr Buschinger, hallo Herr Heller,

nochmals vielen Dank für die Bestimmung und Ihre Beiträge.
Zu Ihren Fragen:

Ist das Dach Ihres Hauses begrünt? Von Moos bewachsen? Ist das Haus in einen Hang gebaut, so dass das Dach m.o.w. nahe an eine Böschung heranreicht? Von Bäumen überschattet? Ist die Außenwand mit Holz verkleidet?

Weder noch. Wir haben eine Doppelhaushälfte, die sich mitten in der Stadt befindet. In diese Richtung dürfte die Erklärung nicht liegen. Die Durchnässung der Isolierwolle war mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch bereits im März diesen Jahres (die Zeit der großen Schneefälle). Da in der Folgezeit keine Probleme mehr aufgetreten sind, sind wir fälschlicherweise davon ausgegangen, dass es zu einem Austrocknen kommt. Da uns der Spengler auch in den Glauben gelassen hat, dass diese auf alle Fälle austrocknet, hat uns dieses Thema nicht mehr beschäftigt (bis die Ameisen kamen – in diesem Fall sogar Gottseidank). Auf alle Fälle hatten die Ameisen drei Monate Zeit in diesem Brutkasten mit – wie es scheint – optimalen Mikromilieu sich auszubreiten.

Das "unruhige Verhalten der Arbeiterinnen" kann sowohl auf Vergiftungen durch die Köder als auch durch den Spray (was haben Sie gesprüht?) verursacht sein.

Gesprüht haben wir leider von der Fa. Bayer Blattanex mit dem Wirkstoff Cypermethrin, was wir jedoch ab jetzt unterlassen, denn damit haben wir wahrscheinlich wirklich die Fouragierung der Ameisen am Fraßköder unterbunden, wie Herr Heller uns schrieb.


Betreffend der Literaturliste habe ich mich bereits letztes Jahr (es gibt keine Zufälle!!!) bemüht, das Buch von Hölldobler (in Taschenbuchform) zu bekommen. Dies wird jedoch nicht mehr aufgelegt. Auch über ebay und die gängigen Antiquariate war ich nicht fündig. Haben Sie vielleicht einen „heissen“ Tipp, wie ich an dieses Buch kommen kann.

Noch eine Frage betreffend dem Wirkstoff:
Fibronil kenne ich nur als Wirkstoff in manchen Zeckenhalsbändern. Gibt es diesen Wirkstoff auch in Ameisenködern oder gibt es noch andere Möglichkeiten an diesen Wirkstoff zu kommen? Meine Internetrecherche über Google ergab dahingehend keine ausreichenden Ergebnisse über die Firma.
Können Sie mir dahingehend einen Tipp geben?

Schönste Grüße

Jojo
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Noch ein Nachtrag:

Bis jetzt hatte ich Köderboxen mit dem Wirkstoff Borax bzw. Phoxim benutzt.

Jojo
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Jojo,

es ist richtig, dass Fipronil in Tierarzneimitteln gegen Ektoparasiten enthalten ist. Es ist aber auch der Wirkstoff im Ameisenköder von Celaflor, der wohl in jedem Drogeriemarkt erhältlich ist. Aber die Köderdose nehmen, nicht das Streu- und Gießmittel!
Dass Sie mit Borax keinen Erfolg hatten, wundert mich nicht. Mit Phoxim, dem Bayer-Wirkstoff, habe ich bisher keine Erfahrung was Ameisenköder betrifft. Ich vermute, dass es zu rasch wirkt. Als Streu- und Gießmittel ist es o.k. Cypermethrin, das Sie versprüht haben, ist ein Pyrethroid. Wie bei dieser Stoffklasse üblich, dürften Sprühbeläge repellierend wirken. Pyrethroide bewirken einen raschen k.o-Effekt, Insekten, die aber nicht genügend abbekommen haben, erholen sich wieder.

Viele Grüße
G. Heller
jojo
Beiträge: 9
Registriert: 05. Jul. 2006, 20:38

Beitrag von jojo »

Hallo Herr Heller,

bin gerade fündig geworden noch bevor ich ihr Mail gelesen habe. Habe aber bereits das Streumittel gekauft, es mit Wasser angerührt und an die Dachbalken angebracht. Auf alle Fälle hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass dies ein lockstoff ist, der Platythorax wirklich anlockt, denn in kürzester Zeit waren ganze Trauben von Arbeiterinnen daran.
Wieso würden Sie das nicht das Streu nehmen und dagegen die Köderboxen empfehlen?

Schönste Grüße

JOJO
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Jojo,

das Streu- und Gießmittel enthält 0,2% Fipronil, der Köder 0,02%. Das Streumittel ist eigentlich für die Verwendung im Freien gedacht (Gehwege, Terrassen etc.). Der Köder ist schon gebrauchsfertig, Sie hätten sich also das Auflösen und Verdünnen in Wasser sparen können. Aber wenn es so geklappt hat, was soll´s!
Eigentlich würde ich auch im Freien den Einsatz von Köderdosen empfehlen, da dies gezielter ist und die Umwelt weniger belastet bzw. Nicht-Ziel-Organismen nicht gefährdet. Beispiel: Ameisenhügel im Rasen dürfen "legal" nicht mit einem Streu- oder Gießmittel behandelt werden, da dies eine Anwendung ist, die dem Pflanzenschutz unterliegt. Die meisten Präparate sind aber nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen, da dies für die Hersteller viel teurer und aufwändiger ist, und deshalb die "billigere" Zulassung als Biozid, also für alles was außerhalb des Pflanzenschutzes ist (z.B. besagte Gehwege). Ob sich jeder Anwender daran hält? Ich bezweifle dies. Wenn nun das zuckerhaltige Streu-/Gießmittel auf Lasius-Hügel in der Vegetation ausgebracht wird, bleibt mit Sicherheit ein Teil auf den Pflanzen hängen und bildet einen auch für andere Insekten attraktiven Belag. Fipronil ist aber z.B. auch extrem giftig für Bienen.

Viele Grüße
G. Heller
Gesperrt