In der Ameisenschutz aktuell*) haben wir 2003 über diese äußerst seltene und merkwürdige Parasitenameise ausgiebig berichtet.
Seit Ende Juli 2005 habe ich eine kleine Nestprobe aus dem Schweizer Wallis in Haltung. Für eine Forschungsarbeit über die Spermienproduktion dieser Ameise mit ihren flügellosen, eigenartig puppenähnlichen Männchen benötigen wir ein paar Männchen.
Nach Überwinterung der kleinen Kolonie in Kühlschrank bzw. Garage vom 12.9. bis 4.12. 05 habe ich sie in mein Arbeitszimmer gebracht. Erwartungsgemäß genügte das als Überwinterung (im Freiland sind sie ca. von Ende September bis Ende April in Winterruhe im Gebirge auf 2.000 m Höhe). Am 17.12. wurden die ersten Vorpuppen beobachtet, am 23.12. die ersten Weibchenpuppen, am 25.12. die erste Männchenpuppe.
Jetzt, am 03. Jan. 2006, schlüpfte das erste Männchen!
In Bild 1 ist es rechts oben (bei dem M), wo es unbeholfen versucht, sich rollend und kriechend davonzumachen. Die gewaltigen Genitalorgane lassen einen aufrechten Gang nicht zu.
Links daneben sieht man noch drei Männchenpuppen in unterschiedlicher Ausfärbung. Die Reihe darunter sind Weibchenpuppen. Die ganz rechts ist gerade dabei aus der Puppenhaut zu schlüpfen. Die Weibchen sind geflügelt. Sie werden im Nest von den in dieser Hinsicht sehr aktiven Männchen begattet, dann erst fliegen sie weg und suchen ein weiselloses Volk der Wirtsarten, Tetramorium caespitum oder T. impurum. Mit viel Glück werden sie dort aufgenommen, werden unmäßig dick und legen Tausende von Eiern. Im Wirtsvolk ziehen die Arbeiterinnen, die keine eigene Brut mehr zu versorgen haben, die Anergates-Brut auf. Das geht anscheinend nur für höchstens 2 Jahre, bis die letzten Tetramorium-Arbeiterinnen verstorben sind.
Für mich ist diese gelungene Anzucht der erste große Erfolg im Neuen Jahr!
A. Buschinger
*)Buschinger, A., Schlick-Steiner B.C., Steiner F.M., Sanetra M.: Anergates atratulus, eine ungewöhnlich seltene Parasiten-Ameise. Ameisenschutz aktuell 17, 1-6, 2003
Edit 15.01.06:
Inzwischen habe ich ein paar Bilder vom Formikar und dem Nest gemacht. Ich baue sie mal hier ein.
Als Formikar (Bild 2) dient eine Kunststoff-Sortimentsschachtel, Länge 19 cm, Breite 11 cm, Höhe 3 cm, mit an 3 Scharnieren befestigtem, überfallendem und dicht schließendem transparentem Deckel. Der Boden ist ca. 3 mm hoch mit Gips ausgegossen, ein dünner Paraffinölfilm an den Wänden erschwert das Herauskrabbeln der Ameisen (Tetramorium schaffen es trotzdem, aber recht langsam, so dass man sie mittels Federpinzette immer wieder zurück setzen kann).
Über der Nestkammer ist ein Loch von ca. 2 cm Durchmesser, mit aufgeklebtem Siebgewebe verschlossen. Ein aufgelegtes Alu-Plättchen kann so verschoben werden, dass sich in der Kammer darunter eine geeignete Luftfeuchtigkeit einstellt. N bezeichnet die Pappkarton-Abdeckung des Nestes. W ist die Wasserkammer mit einem Alu-Schälchen mit nassem Zellstoff-Stückchen. Kdw: Kondenswasser am Deckel zeigt, dass hier der feuchteste Bereich des Formikariums zu finden ist. Nestkammer und Wasserkammer sind über die lange Futterkammer erreichbar.
In Bild 3 ist das Ganze nochmals gezeigt, bei aufgeklapptem Deckel. H und MKP sind Schälchen mit Honigwasser und zerquetschter Mehlkäferpuppe. Bei D sind die Bohrungen erkennbar, durch die der Zugang zu Futter- und Nestkammer ermöglicht wird. Es entsteht ein Feuchtigkeitsgradient zwischen der relativ trockenen Nestkammer über die mäßig feuchte Futterkammer zur sehr feuchten Wasserkammer. Links vor der Wasserkammer sieht man ein Stück Tesafilm (eingerollt). Es sichert bei geschlossenem Deckel diesen gegen unbeabsichtigtes Öffnen.
In Bild 4 ist die (nicht mehr ganz neue
![Smile :)](./images/smilies/icon_smile.gif)
Bild 5 zeigt einen Ausschnitt des Anergates-Völkchens. WP ist eine schlüpfreife Anergates-Weibchenpuppe, direkt links davon eine noch weiße Puppe. Bei kLv frisst eine Anergates-Larve an einem Futterbrocken. Die schwarze Farbe zeigt, dass es sich dabei um ein Stück eines verstorbenen Weibchens handelt. Kannibalen sind sie also auch noch! phW ist ein bereits etwas physogastrisches Weibchen, von dem weiter unten berichtet wird (bei Koloniegründung). Wenn man es weiß, ist unter der der linken Antenne sogar die gerade nach vorn gestreckte linke Mandibel erkennbar.
Die ganze Haltungstechnik ist im Detail abwandelbar und hier hauptsächlich durch vorhandene Materialien bestimmt.
Wichtig sind eigentlich nur: 1. ein dunkler und niedriger Unterschlupf; 2. ein Feuchtigkeitsgradient zwischen dem Nest und der Kammer mit Trinkwasser, 3. ein relativ trockener Futterbereich, 4. eine gute Ausbruchsicherung (dichter Deckel plus Paraffinöl), 5. regelmäßige Kontrolle von Feuchtigkeit und Futter (Honig und MKP schimmeln bereits ab dem 2. Tag!), 6. geeignete Temperaturen jeweils im Sommer und während der Überwinterung.
Zur Zeit (Sommer) regle ich die Temperatur zwischen 18 C bei Nacht und 25 C bei Tag über die Zimmertemperatur und eine über dem Formikar tagsüber eingeschaltete Schreibtischlampe.
A. Buschinger