Ausgrenzen von Ameisen mit DEET?

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Jürgen Dittmer
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Ausgrenzen von Ameisen mit DEET?

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Liebe Ameisenfreunde,

vielleicht kann mir jemand eine Antwort geben:

Mir liegt ein Zeitungsausschnitt vor, in dem berichtet wird (R. KAPPLER) von einem neuen Mittel N,N-Dietyyl-m-tuloamid (DEET), entwickelt von Prof. Rene´Csuk*, das in einem Organismus über den Geruchssinn eine Abwehr- und Fluchtreaktion auslöst. Erprobt sei dieser Stoff erfolgreich auch bei Ameisen!
Hat jemand von diesem Mittel gehört, ist es für eine Anwendung in Häusern etc. geeignet, wäre das in besonderen Fällen auch wirksam einsetzbar als Ersatz für aufwendiges Umsetzen von Waldameisen? Kann man das Mittel bereits erwerben?

Vielen Dank im voraus!

Ihr Jürgen Dittmer

* Prof. R. Csuk: Professor für Organische Chemie an der Martin-Lutter-Universität Halle-Wittenberg
Gerhard Heller
Beiträge: 838
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Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Herr Dittmer,

DEET ist ein "Uralthut" und weltweit wohl das am häufigsten eingesetzte Stechmückenrepellent. Da es auf den Geruchsinn von Insekten wirkt, kann ich mir vorstellen, dass es einen vorübergehenden Effekt auch auf Ameisenarbeiterinnen haben könnte. Von einer praktischen Anwendung gegen Ameisen ist mir jedoch nichts bekannt.

Viele Grüße
G. Heller
Jürgen Dittmer
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DEET

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Liebe Ameisenfreunde,

derzeit forscht René Csuk, Professor für Organische Chemie an der Martin- Lutter- Universität Halle - Wittenberg, an einem Abwehrsekret gegen Ameisen, welches keine Nebenwirkungen mehr haben soll! Dazu fand er mit seinem Team und mit Unterstützung einiger Biologen heraus, dass ein kleines, nicht näher beschriebenes Insekt mit dem Namen Thrips Suocerathrips linguis ein Sekret absondert, um von Ameisen unbelästigt zu bleiben. Dieses Sekret ( eine (11Z)- Eicosadienylacetat - Verbindung) wurde künstlich nachgebaut und optimiert, sodass wir möglicherweise in nicht so ferner Zukunft ein Mittel zur Verfügung haben werden, welches bei Ameisen über den Geruchssinn eine Abwehr- und Fluchtreaktion auslösen soll. Damit könnte dann wohl auch das bisherige nicht ganz nebenwirkungsfreie DEET ersetzt werden!

Dieses DEET, wie ich es im Thread vom 12. Apr. beschrieb, ist also nicht neu, sondern, wie Herr Heller freundlicherweise antwortete, ein "Uralthut", der auf diese Weise ersetzt werden soll!

Mit dem neuen Mittel könnte dann vielleicht all denen geholfen werden, die in ihren Häusern mit Ameisen "ihre Last" haben, aber genau so wäre es möglich, Waldameisen aus Gärten und anderen Anlagen fernzuhalten, ohne, dass immer gleich "gegraben" werden muss?

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
Gerhard Heller
Beiträge: 838
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Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Herr Dittmer,

sicher eine ganz spannende Sache! Ob es allerdings eine praktikable Anwendung wird, wage ich zu bezweifeln. Es kommt darauf an wie lange die Repellentwirkung anhält. Die Substanz ist ja sehr flüchtig. Das um drei C-Atome längere TDA ist übrigens das Sex-Pheromon einiger vorratsschädlicher Mottenarten (Dörrobst-, Mehl-, Speicher- und Tabakmotte).
Auch zahlreiche Inhaltsstoffe etherischer Öle haben eine ausgezeichnete Repellentwirkung insbesondere auf spurgebundene Ameisenarten - leider aber nur wenige Stunden. Die längste Repellenz etherischer Öle (24 h!) konnte ich an einer Straße von L. fuliginosus beobachten, die kürzeste Wirkdauer bei Serviformica (Applikation an Nestausgänge).
Übrigens soll der Geruch von L. fuliginosus lt. älterer Literatur auf Formica dermaßen "ekelerregend" sein, dass eine Handvoll fuliginosus, auf den Nesthügel geworfen, genügt, um die Formica zur Flucht zu veranlassen. Ich habe es noch nicht pobiert, vielleicht ist es auch nur eine Legende.

Viele Grüße
G. Heller
Buschinger
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Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
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Flucht der Waldameisen vor Lasius fuliginos keine Legende

Beitrag von Buschinger »

"Übrigens soll der Geruch von L. fuliginosus lt. älterer Literatur auf Formica dermaßen "ekelerregend" sein, dass eine Handvoll fuliginosus, auf den Nesthügel geworfen, genügt, um die Formica zur Flucht zu veranlassen. Ich habe es noch nicht pobiert, vielleicht ist es auch nur eine Legende."
Es ist wahr! Prof. Dr. Klaus Horstmann hat 1984-1987 jeweils im Juli bzw. August mit sehr exakt durchgeführten und beschriebenen Versuchen die Angaben von Gößwald (1979) voll bestätigt!

Nach Eingabe von 1-2 Handvoll Lasius fuliginosus in die Kuppel eines Nestes von F. polyctena verließen ein Teil der Arbeiterinnen und Königinnen sofort das Nest, Arbeiterinnen trugen auch Larven und Puppen auf die Oberfläche. Der Exodus der Waldameisen hatte sogar eine deutliche Temperatursenkung im Wärmezentrum der Nester zur Folge.

HORSTMANN, K. 1987: Über die Reaktion von Waldameisen (Formica polyctena) auf das Erscheinen von Glänzendschwarzen Holzameisen (Lasius fuliginosus) in ihrem Nest.
Waldhygiene 17, 23-28.

GÖßWALD, K. 1979: Beziehungen der Waldameisen untereinander und zu anderen Arten. Waldhygiene 13, 105-108.

Die vor Jahren eingegangene Zeitschrift "Waldhygiene" enthält eine Fülle von interessanten und wichtigen Arbeiten, die leider allmählich in Vergessenheit geraten. Natürlich waren auch viele Beiträge darin von zweifelhaftem Wert....

Viele Grüße,
A. Buschinger
!!! EINHEIMISCHE HAUSAMEISEN SIND KEINE SCHÄDLINGE per se !!! - Sie nutzen nur Baufehler bzw. Bauschäden zur Anlage ihrer Nester. Dies ist anders bei Exoten wie Pharaoameise, Pheidole spp. usw..
Jürgen Dittmer
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Flucht der Ameisen etc.

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Den Herren Heller und Buschinger vielen Dank für die umfangreichen Antworten bezügl. meiner Frage vom 17. April!
Auf diese oder ähnliche Weise, die Ameisen, welcher Art auch immer, in den "Griff" zu bekommen, scheint mir künftig wohl der erstrebenswerteste Weg zu sein. Scheinbar ist die Wissenschaft noch nicht ganz so weit.
Mit Lasius fuliginosus und Formica polyctena konnte ich im warm- trocknen Sommer 2003 einige Erfahrungen sammeln: Bis dahin lebten beide Gattungen "friedlich" nebeneinander. F. polyctena hielt die gemeinsame (Duft-) Grenze exakt ein: Dabei war das relativ schwache Waldameisenvolk von den ertragreicheren Eichen "ausgesperrt", sie "durften" nur die Fichten in der Nähe aufsuchen! Der genannte trockene Sommer führte dazu, dass die flachwurzelnde Fichte nicht mehr ausreichend Phloemsaftsauger beherbergte, während der Tiefwurzler Eiche noch frisches grünes Laub aufwies. Eines Tages waren die Waldameisen verschwunden, und ich fand sie schließlich etwa 200 Meter weiter in einem konkurrenzfreien Fichtenaltholz mit besserer Wasserversorgung wieder. Dort befindet sich die kleine Kolonie noch heute und gedeiht prächtig!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
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