Koloniegründung von Lasius fuliginosus bei Lasius niger

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Gerhard Heller
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Koloniegründung von Lasius fuliginosus bei Lasius niger

Beitrag von Gerhard Heller »

Im Asa-Heft 1/03 war ein Beitrag „Bemerkungen zur temporär sozialparasitischen Koloniegründung von Lasius fuliginosus“ (Autor Frank Mattheis). Als Fazit seiner Beobachtungen und Koloniegründungsversuche stellt Mattheis fest, dass fuliginosus ausschließlich bei Chtonolasius-Arten zu gründen vermag und vollständig von diesen Arten abhängig ist. Seine Experimente mit der Anweiselung von jungen fuliginosus-Weibchen bei frisch geschlüpften L. niger oder emarginatus, was völlig problemlos geht, endeten immer mit dem frühen Tod der fuliginosus-Weibchen innerhalb weniger Wochen (Ursache unklar). Für Mattheis waren somit Lasius s.str.-Arten als erfolgversprechende Wirte auszuschließen.
Andrasfalvy (1961) hatte allerdings eine erfolgreiche Gründung bei weisellosen niger unter Laborbedingungen beobachtet. Auch ich hatte meine Zweifel an der von Mattheis postulierten Ausschließlichkeit, da ich lange zuvor während meiner Studienzeit einen identischen Versuch gemacht hatte: Gründung bei noch unausgefärbten niger-Arbeiterinnen, dann sukzessive Verstärkung mit niger-Puppen. Das fuliginosus-Weibchen wurde bald physogastrisch und legte Eier. Problem war, dass ich in Urlaub wollte und niemand zur Versorgung der Kolonie hatte. Ich setzte sie deshalb im Garten aus. Im zweiten Jahr nach Freisetzung befand sich hier eine fuliginosus-Kolonie, allerdings nicht an der Aussetzungsstelle, sondern ein paar Meter entfernt. Es lag nahe, dass die Kolonie auf das Experimentalvölkchen zurückzuführen war, eine natürliche Ansiedlung war aber auch nicht auszuschließen.
Das ganze Thema geriet bei mir wieder in Vergessenheit, bis mich im vergangenen Jahr ein faunistisch tätiger Myrmekologe auf die Möglichkeit von fuliginosus-Gründungen bei Lasius s.str. ansprach. Er kennt Standorte, an denen nirgends Chtonolasius zu finden waren, aber trotzdem fuliginosus. Nach seiner Meinung könnten daher die vorhandenen Lasius s.str. doch als Wirtsarten in Frage kommen. Ferner findet sich bei Seifert (2007) der Hinweis, dass mehrfach gründende fuliginosus-Weibchen in niger-Nestern gefunden wurden (s. S. 293).
Da ich im Sommer 2008 vor der Haustüre beinahe auf eine junge fuliginosus-Königin getreten wäre, beschloss ich den Versuch aus der Studienzeit zu wiederholen. Die Königin wurde rasch physogastrisch und begann mit der Eiablge. Bis Herbst tat sich nicht mehr viel, es schlüpften noch Larven, die klein blieben. Überwintert wurde bis Mitte März. Dann Vernalisierung und bald wieder massenhafte Eiablage. Die geschlüpften Larven wuchsen heran und mittlerweile sind die ersten fuliginosus-Arbeiterinnen geschlüpft.
Die Möglichkeit der Koloniegründung von fuliginosus bei L. niger etc. kann daher auch unter natürlichen Bedingungen nicht ganz ausgeschlossen werden. Der exakte Nachweis fehlt jedoch, da bisher nie Mischkolonien im Freiland gefunden wurden. Allerdings fielen mir auch bei den fuliginosus, die mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Experimentalvölkchen im Garten hervorgegangen waren, keine niger-Arbeiterinnen auf, obwohl dies von der Lebenserwartung einer niger-Arbeiterin her zu erwarten gewesen wäre.
Gerhard Heller
Beiträge: 838
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Beitrag von Gerhard Heller »

Sehr geehrter Herr Mattheis,

Ihren Verriss meines Berichts zur Koloniegründung von fuliginosus bei niger habe ich gelesen.
Für die Leser im DASW-Forum: es geht um folgenden link: http://www.ameisenforum.de/einsteigerfr ... nosus.html
und speziell um die Ausführungen von Herrn Mattheis vom 24.07.09.

Ich habe mir erst überlegt, ob ich Ihnen im Ameisenforum, in dem ich nicht registriert bin, antworten soll, aber ich tue es an dieser Stelle, da Sie sich ja offensichtlich auch hier im DASW-Forum umsehen. Zumindest kann man dies Ihrer Äußerung „den Bericht kenne ich auch....“ entnehmen. Ich bin überzeugt, dass Sie von meiner Antwort Kenntnis bekommen werden.

Zur Sache: Sie kritisieren jede „Menge Vermutungen, Unwägbarkeiten, Eventualitäten“... und die Intention, „anzuzweifeln“ (ein Sakrileg!), was Sie als Dogma aufgestellt haben: fuliginosus kann nicht bei niger, nicht unter günstigen künstlichen Bedingungen und schon gar nicht im Freiland. Zu diesem Schluss kamen Sie in Ihrem Beitrag in Asa 1/03 auf der statistisch beeindruckenden Grundlage von zwei missglückten Versuchsansätzen, einmal bei niger und einmal bei emarginatus. Oder wollen Sie, da Sie ja mehrere Weibchen pro Ansatz verwendet haben, jedes einzelne Weibchen als Versuchswiederholung gewertet wissen? Das wäre methodisch schon mehr als fragwürdig.
„Ein einzelner Versuch“, der belegt, dass es unter künstlichen Bedingungen durchaus geht, ist da natürlich ein zu vernachlässigender Ausreißer. Nimmt man noch den Versuch von Andrasfalvy hinzu, den Sie bereits 2003 entweder ignorierten oder nicht kannten, und meinen früheren Versuch, der mit einer Wahrscheinlichkeit von > 99 % im Garten zu einer erfolgreichen Gründung führte (gewissermaßen ein Halbfreilandversuch), so steht es 3:2 – gegen Sie.
Dies sind die Fakten der mir bekannten Versuche unter künstlichen Bedingungen, und ich habe daraus lediglich sehr vorsichtig den Schluss gezogen, dass die Möglichkeit der Koloniegründung von fuliginosus bei niger im Freiland nicht ganz ausgeschlossen werden kann, jedoch mit dem klaren Hinweis, dass Freilandnachweise von Mischkolonien fehlen. Diese Überlegung, die doch wohl noch erlaubt sein darf, stützt sich auf die von Seifert zitierten Funde von fuliginosus-Weibchen in niger-Nestern.
Sehr spaßig fanden Sie, dass möglicherweise irgendwo keine umbratus etc. vorkommen könnten. Es gibt sie vielleicht auch heute noch die Faunisten, die mehrfach im Jahr und über Jahre hinweg ihre Reviere untersuchen und dann recht vollständig das Arteninventar, auch das der verborgen lebenden, überblicken können. Klar, ein Übersehen ist immer möglich, und deshalb ist dieses Indiz für sich allein schwach.
Soweit zu den Spekulationen, die natürlich nur Ihnen erlaubt sind. Aber Sie machen ja besser gleich Dogmen. Ex cathedra verkünden Sie in Asa 1/03 „L. fuliginosus adopiert keine jungen Königinnen der eigenen Art“. Das steht da wie in Stein gemeißelt. Bei Stitz hingegen ist zu lesen: „Manche von ihnen kehren in ihr ursprüngliches Nest zurück oder gelangen in eines der Umgebung“. Solchem und ähnlichem können Sie entgegnen: „Das ist doch nun einmal so. Die Vorgänge in der Natur richten sich nicht immer nach dem, was in Büchern geschrieben steht“. Vielleicht auch nicht nach dem, was Herr Mattheis schreibt?
Nun berichtet im Ameisenforum doch tatsächlich einer (Hier20): „Habe eine Lasius fuliginosus Königin gefunden und Arbeiterinnen von Lasius fuliginosus von einer Ameisenstraße genommen. Nach ein paar Tagen wurde die Königin angenommen.“
Nach bewährtem Palmström-Prinzip wird das abgetan mit den Hinweisen, dass man sicher sein muss, es „wirklich mit fuliginosus zu tun zu haben“ (da weiß nun ich nicht, ob ich das zum Lachen finden soll), dass das bei Ihnen „nie geklappt“ hat (also darf es wohl auch bei andern nicht) und dass das sowieso nicht geht. Allenfalls ausnahmsweise doch mal. Aber: „In Gefangenschaft sind normale Bedingungen nicht gegeben“. Dies gilt freilich nicht für Ihre unter mehr oder weniger künstlichen Bedingungen erhobenen Befunde. Die sind selbstverständlich Naturgesetz, auch im Freiland.

Es geht mir nicht darum, Ihre Ergebnisse von 2003 nicht anzuerkennen, sondern lediglich darum, Ihre Schlussfolgerungen, die Sie anscheinend als die unumstößliche Wahrheit ansehen, zu relativieren. Mittlerweile scheint Ihnen selbst zu dämmern, dass Sie sich verrannt haben und versuchen, eine unhaltbare Position zu räumen. An MainMan (nicht etwa an mich) gerichtet: „Ich glaube mittlerweile auch, dass solche künstlichen Gründungen mit niger manchmal gelingen können. Zumindest bei meinen o. angesprochen jetzigen Versuch sieht es im Moment recht gut aus.“ Warum haben Sie eigentlich diesen Versuch angefangen? Etwa weil es erst dann gültig ist, wenn bei Ihnen die Gründung gelingt?


MfG
G. Heller
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