Tapinoma nigerrimum eingeschleppt

Schreiben Sie in diesem Forum Ihre Fragen, Beobachtungen und Berichte zu anderen Ameisenarten.

Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

Antworten
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Tapinoma nigerrimum eingeschleppt

Beitrag von Gerhard Heller »

Dem mediterran gestimmten Deutschen genügt es nicht mehr, den abendlichen Wein unterm Apfelbaum zu schlürfen, nein ein Olivenbaum muss her, und ein möglichst großer. Alte Olivenbäume, die ihre beste Ertragszeit hinter sich haben und gefällt werden würden, werden von Spezialbaumschulen ausgegraben und mit riesigem Wurzelballen nach Norden verfrachtet, wo sie für viel Geld in mitteleuropäischen Gärten für mediterranes "feeling" sorgen sollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit solch großkalibrigem Gehölz (auch Lorbeer, Palmen etc.) nicht nur arboricole, sondern auch bodenbewohnende Ameisen verschleppt werden, sollte mit der Kübelgröße steigen.
Ich war kürzlich in Ingelheim in einer Baumschule, die u.a. mediterranes Großgehölz verkauft. Als erstes begegnete mir Camponotus vagus. Da die ich die in Deutschland sehr seltene Art zwischen Mainz und Bingen bisher noch nirgends finden konnte, nehme ich an, dass die von der Alpensüdseite stammen. Ganz zweifellos ist dies aber bei Tapinoma nigerrimum der Fall, der zweiten fremden Art, die mir über den Weg lief. T. nigerrimum ist deutlich größer (große Arbeiterinnen bis 5 mm) als unsere beiden einheimischen Arten T. erraticum bzw. ambiguum. Die Nester sind sehr volkreich, ihre Straßen dicht belaufen (wie auch in Ingelheim). Meines Wissens sind die Kolonien monogyn.
Die Ingelheimer Kolonie scheint gut etabliert zu sein, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass diese Art im hiesigen milden Klima bestens existieren kann. Strenge Winter kommen gelegentlich auch im Mittelmeerraum vor. Mir ist noch ein Winter in Erinnerung, bei dem in der Toskana die Temperaturen auf -20°C fielen - mit bösen Folgen für den Olivenanbau. Folglich dürften auch viele mediterrane Arten über eine beträchtliche Frostresistenz verfügen, zumal so häufige Arten wie Pheidole pallidula, Crematogaster scutellaris, Camponotus cruentatus in Höhenlagen von über 800 m vorkommen können (Seealpen, Cevennen, Luberon), wo im Winter regelmäßig strenge Fröste auftreten.

Die beiden Arten habe ich ohne gezielte Suche gefunden. Man kann gespannt sein, was ein gezieltes Nachsuchen bringen würde.
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Ergänzung zum Thema:
T. nigerrimum in einer Baumschule in Ingelheim ist kein Einzelfall. Ich habe die Art ein paar Tage später auch in Edesheim a.d. Weinstraße gefunden, ebenfalls in einem Gartencenter.
Ich habe die Tiere an fünf separaten Stellen im Außengelände beobachtet. Eine der Kolonien ist riesig groß und nimmt mit zahlreichen Nestern unter Terrassenplatten und im Rasen eine Fläche von schätzungsweise 20 qm ein. Der Erdauswurf ist eindrucksvoll. Zwischen den Nestern wurde Brut transportiert, auch Puppen von Alaten.
Dies zeigt, dass der Art zumindest die Klimaverhältnisse des Oberrheingrabens bestens zusagen, auch strenge Winter, wie der letzte, kein Problem sind und eine lokale Weiterverbreitung stattfinden kann.
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Nach dem langen Winter 2009/10 sind heute, wahrscheinlich aber schon seit einigen Tagen, die T. nigerrimum aktiv. Die Bautätigkeit ist lebhaft, und zahlreiche Arbeiterinnen sitzen in "Sonnungstrauben" auf trockenem Laub. Der frühen Wiederaufnahme der Aktivität entspricht übrigens auch ein spätes Einstellen. Noch um den Nikolaustag herum hielten sich die Ameisen bei Temperaturen von 6-7° C im Freien auf. Abgesehen von Waldameisen können heimische Arten da kaum mithalten.
Antworten