Hurra, die Kolonie lebt

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Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

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HBr
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Hurra, die Kolonie lebt

Beitrag von HBr »

Das von Milben befallene Ameisenvolk (siehe Artikel Milbenbefall bei Königin) hat sich in diesem Jahr zum ersten Mal gesonnt und scheint sehr vital zu sein. Und zumindest an den Arbeiterinnen konnten ich keine Milben entdecken. Eine Königin hat sich leider (noch) nicht gezeigt.

Interessant ist ausserdem die Beobachtung, dass sich 3 Kolonien an verschiedenen Standorten zur Sonnung versammeln. Die 3 Standorte liegen in einem 7 x 7 Meter grossen Gebiet und scheinen nicht zum gleichen Volk zu gehören. Kann es sein, dass dies bereits Ableger mit eigenen Königinnen sind? An Standort 2 sind etwa 1/3 der Ameisen zu beobachten wie an Standort 1 und an Standort 3 nur eine Handvoll. Bei Standort 3 handelt es sich um ein altes Nest, das ich schon für verlassen hielt...

Viele Grüße, Hans
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01.03.2009, Erste Sonnung bei Standort 1, 12°
01.03.2009, Erste Sonnung bei Standort 1, 12°
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Jürgen Dittmer
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Hurra, die Kolonie lebt!

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo Hans,

zu dem Milbenbefall kann ich so nichts sagen, schön wäre es schon, wenn "Ihr" Ameisenvolk diesen Befall überstanden hätte! Dazu kann ich auf keine eigenen Erfahrungen zurückgreifen.
Das Bild, welches Sie auf einer Fläche von ca. 7x7 m beschreiben, dagegen, ist mir durchaus bekannt, bekannt von Völkern der Kahlrückigen Waldameise (Formica polyctena), die in der Vergangenheit arg gebeutelt waren durch starke Zerstörungen durch Mensch oder Natur (Wildschweine etc.), oft nach Eindringen von größeren Wassermassen eben durch diese Schäden, aber auch nach winterlichem Hochwasser. Im "Hauptnest" haben dann viele Ameisen die Prozedur nicht überlebt und gefährden mit ihren Leichen die Gesundheit der verbliebenen Nestgenossen. Diese verlassen schon sehr früh im Jahr ihr "Gefängnis" und teilen sich dabei, uneinig, wo sich das künftige gemeinsame Nest befinden wird, zur Sonnung auf. Eine Festlegung, auf welcher Stelle nun endgültig das neue Nest entstehen wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar. Sollten sich die Verhältnisse im einstigen Nest inzwischen wieder verbessert haben, dann vereinigen sich alle Ameisen dort auch wieder - muss aber nicht sein, nämlich zum Beispiel im Falle vieler Ameisenleichen, siehe oben, oder, wenn dort noch Wasser steht. Dann bevorzugen sie einen Neubau in der nahen Umgebung. Unter "nahe Umgebung" kann auch ein Umkreis von mehr als 50 m zu verstehen sein, den Fall kenne ich aus dem Jahre 2002.
Also: Ich gehe davon aus, dass die Ameisen auf der Fläche von 7x7 m ein Volk waren und wohl auch wieder als ein solches erscheinen werden. Das kann jedoch noch lange dauern, da die Sonnung gewöhnlich etappenweise stattfindet, können wir doch davon ausgehen, dass sich das Wetter in den kommenden Wochen noch einige Male so verändert, dass die Sonnung immer wieder unterbrochen wird.
Ich denke, Sie werden zu gegebener Zeit an dieser Stelle berichten? Vielleicht kann auch einer der zahlreichen weiteren Ameisenfreunde auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen?

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
HBr
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Beitrag von HBr »

Hallo Herr Dittmer,

Es scheint so, als ob sich Ihre Vermutung bestätigt - zumindest was Standort 1 und Standort 3 betrifft: Die Ameisen aus Standort 1 holen diese aus Standort 3 zu sich ins Nest (vgl. Artikel Ameisenraub). Standort 2 ist zumindest bis jetzt noch autark. Bin sehr gespannt wie es weitergeht und werde weiter darüber berichten.

Viele Grüße,
Hans
HBr
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Vermutung bestätigt

Beitrag von HBr »

Hallo Herr Dietmer,

Ihre Vermutung hat sich nun bestätigt: Bei den Ameisen in den 3 Nestern handelt es sich wohl um ein Volk, da seit gestern der große Umzug stattfindet und alle Ameisen in das gleiche Nest ziehen.

Sie schreiben, dass die "nahe Umgebung" auch ein Umkreis von mehr als 50 m sein kann. Ab wann ist denn sicher, dass es sich bei 2 Hügelbauten um 2 verschiedene Völker handelt bzw. wieso gibt es auch große Nestbauten, die nur wenige Meter voneinander entfernt sind -> Handelt es sich dann um ein Volk oder sind das dann verschiedene Kolonien bzw. wie kann man erkennen, ob es sich um verschiedene Völker handelt?

Vielen Dank und viele Grüße,
Hans Braxmeier
Gerhard Heller
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Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Herr Braxmeier,

man kann das austesten, indem man einige Tiere aus jedem Hügel in eine Schale setzt. Gibt es keine Aggressionen, gehören sie zum gleichen Kolonieverband, gibt es Beißereien, sind es Angehörige verschiedener Kolonien.

Viele Grüße
G. Heller
HBr
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Gleiche Kolonie

Beitrag von HBr »

Hallo Herr Heller,

Vielen Dank für Ihre Antwort. Da sich die Ameisen gut vertragen, handelt es sich wohl um eine Kolonie.

Kann man denn Aussagen treffen wann eine Kolonie mehrere Hügel baut und welchen Abstand diese zueinander haben "müssen"? Hängt dies evtl. mit der Anzahl der Königinnen und der Größe des Volkes zusammen?

Vielen Dank und viele Grüße,
Hans Braxmeier
Gerhard Heller
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Beitrag von Gerhard Heller »

Hallo Herr Braxmeier,

in erster Linie hängt das von der Waldameisenart ab. Rufa ist überwiegend monogyn-monodom. Polygyn-polydome Kolonien sind eher selten. Polyctena ist dagegen hochgradig polygyn-polydom. Es gibt auch Hybride zwischen den beiden, die in jeder Hinsicht eine intermediäre Stellung einnehmen.
Was die Abstände benachbarter Nester einer polydomen Kolonie betrifft, so gibt es kein "Muss".

Viele Grüße
G. Heller
HBr
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Beitrag von HBr »

Hallo Herr Heller,

Nach der Beborstung zu urteilen, dürfte es sich um Formica polyctena handeln. Ich hoffe natürlich, daß sich das Ameisenvolk in den kommenden Jahren weiter ausbreitet und viele neue Hügel baut, da es im Moment das einzige Volk in der Umgebung ist.

Viele Grüße,
Hans
Jürgen Dittmer
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Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Herr Braxmeier,

seit mehr als zwei Wochen bin ich nun wieder in der Lage, meinen PC zu bedienen.
Freundlicher Weise wurden zwischenzeitlich Ihre Fragen bereits von Herrn Heller beantwortet. – Vielen Dank! - Trotzdem möchte ich noch einiges zum Thema sagen.
Ihre interessanten Beobachtungen waren ja ausgelöst durch irgend eine Katastrophe, bzw. durch etwas, was „Ihre“ Ameisen dafür hielten. Wie das oft der Fall ist, hat „man“ sich wieder vereinigt.
Da es sich in Ihrem Falle um eine polygyne Waldameisenart handelt, also eine solche mit sehr vielen Königinnen, kann ich mich auch auf diese beschränken: Eine Vermehrung der Nestzahl, also Vergrößerung der Kolonie, findet immer dann statt, wenn ein Volk „aus den Nähten“ platzt, also aus ökologischen Erwäggründen heraus, eine Aufteilung des Volkes erforderlich wird. Ein Teil der Arbeiterinnen kundschaftet dazu einen geeigneten Nestplatz aus und zieht dann samt eines Teils der Königinnen, auch der Brut, nach dort um. Orts unkundige Individuen werden dabei, genau wie Eier, Larven und Puppen, getragen. So entsteht ein neues, selbständiges Volk mit mehr oder weniger loser Verbindung zum einstigen Stammnest.
Der neue Nestplatz kann durchaus recht weit entfernt zu finden sein!


Mit freundlichen Grüßen,

Jürgen Dittmer
HBr
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Beitrag von HBr »

Hallo Herr Heller und Herr Dittmer,

Ich freue mich jedesmal über Ihre ausführlichen und hilfreichen Antworten. Ich hoffe natürlich dass das Volk bald aus allen Nähten platz und ein neues Nest entsteht. Auf jeden Fall sind die Ameisen über die sonnigen Tage sehr aktiv und es scheinen mehr Ameisen zu sein als im letzten Jahr.

Viele Grüße,
Hans Braxmeier
HBr
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Erste Sichtung einer Königin

Beitrag von HBr »

Die beiden Bilder zeigen die erste Sichtung einer jungen? Königin in diesm Jahr. Sie war gerade dabei sich vom Nest zu entfernen als sie mir im Gestrüpp auffiel. Kann es sein, dass diese Königin bereits in diesem Jahr geschlüpft ist? Und gibt es Erkenntnisse welche Königinnen im Nest zurück bleiben und welche nicht?

Was evtl. noch interessant ist: Beim Einfangen fiel die Königin von meiner Hand wieder ins Gras und war danach wie vom Erdboden verschluckt. Ich hätte vermutet, dass die Königin sich auf und davon macht, aber es hat ca. 15. Minuten gedauert bis sie sich wieder bewegt hat... Erst danach konnte sie erneut eingefangen werden...

Ist es eigentlich anhand dieser Bilder möglich die Art genau einzugrenzen oder gibt es bei Königinnen von verschiedenen Arten auch nur sehr geringe Unterscheidungsmerkmale?

Viele Grüße,
Hans
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Königin1.jpg
Königin2.jpg
Jürgen Dittmer
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Sichtung einer Königin

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Herr Hans Baxmann,

Ihre Anfrage teilt sich auf in mindestens vier einzelne:

1. Schon alleine die Tatsache, jetzt eine Waldameisenkönigin unterwegs anzutreffen, deutet darauf hin, dass es sich um ein junges Vollweibchen handelt. Ältere Königinnen erscheinen nur im ganz zeitigen Frühjahr/ Ausgang Winter zur sogenannten Sonnung auf der Nestoberfläche, sie sind also derzeit mit dem Legen von Sommereiern beschäftigt und kommen erst nächstes Jahr wieder zum Vorschein.
2. Die Sonnung fand in diesem Jahr wiederum zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Das war witterungsbedingt. In einer „meiner„ Kolonien beobachtete ich die ersten Altköniginnen am 24. Februar! Kein Wunder, dass hier bereits Anfang Mai, nach witterungsbedingter Verzögerung, der Schwarm- (Paarungs-) betrieb einsetzte, und mithin dann auch die ersten flügellosen Jungköniginnen zu entdecken waren.
3. Zunächst deckt jedes Ameisenvolk den eigenen Bedarf an Jungköniginnen, der Überhang begibt sich dann auf die Suche und Gründung eines neuen Nestes/ Volkes. Ob es dabei um eine Auslese kommt, wer im Mutternest verbleibt und wer nicht, ist mir nicht bekannt. Ich wüsste auch spontan nicht, wie eine solche aussehen würde, und wer sie durchführt.
4. Und nun zu Ihrer letzten Frage: Anhand der Fotos lässt sich die Zugehörigkeit der Königin nicht bestimmen. Man erkennt keine Behaarung und kann die genaue Färbung nicht ausmachen. Im Übrigen werden Bestimmungen der Artzugehörigkeit üblicherweise an den Arbeiterinnen, und dann mindestens an 10 Exemplaren, sicher ermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer

Kleiner Nachtrag: Ameisenköniginnen sind sehr gefährdet und daher besonders scheu: Sie ergeben für ihre Fressfeinde hervorragende Mahlzeiten, werden also besonders verfolgt.
Das macht sie so vorsichtig, wie Sie es auch beobachteten.

MfG. JD
HBr
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Fressfeinde von Ameisen

Beitrag von HBr »

Hallo Herr Dittmer,

Auch an dieser Stelle wiederum vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort.

Sie schreiben, dass Ameisenköniginnen für ihre Fressfeinde hervorragende Mahlzeiten ergeben. Wer sind denn die Fressfeinde von Ameisenköniginnen bzw. gibt es Unterschiede zu den Fressfeinden von Arbeiterinnen? Ich dachte Spechte sind z.B. eher auf die Larven aus und graben deshalb die Nester an...

In der Nähe des Nestes befindet sich auch ein Belaufbaum. Wäre es an dieser Stelle für Fressfeinde nicht sehr einfach auf die Ameisen zu warten um diese dann von den Ästen abzupicken?

Viele Grüße,
Hans
Jürgen Dittmer
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Fressfeinde der Waldameisen....

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo Hans,
über dieses Thema lässt sich sehr viel schreiben, an dieser Stelle werde ich mich jedoch kurz fassen, in der Hoffnung, Ihre Frage trotzdem ausreichend zu beantworten:
Der Logik des Systems der Natur folgend, ist die Waldameise selbstverständlich auch ein Glied innerhalb der Nahrungskette: Sie frisst und wird gefressen!
Es sind die Erdspechte: Schwarzspecht, Grauspecht und der Grünspecht, die die bekannten tiefen Gänge in den Nesthügel graben.
Baumspechte, zu denen alle Buntspechte und der Wendehals gehören, tun sich nur an auslaufenden Arbeiterinnen gütlich.
Aber auch viele Kleinvögel suchen die Ameisenkolonien auf, ganz besonders im Frühjahr zur Aufzucht der ersten Brut. Oft sind gerade jetzt Ameisen leichter und schneller zu „ergattern“ als andere Insekten. Auf dem Frühjahrsvogelzug stärken sich häufig die Wacholderdrosseln, bevor sie in ihre Brutgebiete weiter ziehen.
In den entsprechenden Biotopen bieten Ameisen und deren Brut Birk- Auer- Haselhühnern, aber auch Rebhühnern und Fasanen besonders bei noch kühlem Wetter die Grundlage des benötigten Eiweißes zur Aufzucht ihrer Jungen. Ich betone bewusst „kühles Wetter“, da in und um die Waldameisennestern herum bereits emsiges Leben herrscht, wenn andere Insekten sich noch in Starre befinden. Aufgrund der Nestwärme werden Ameisen bereits etwas früher aktiv als die meisten anderen Insekten.
An dieser Stelle muss auch betont werden, dass unsere Singvögel zur Aufzucht ihrer Jungen abhängig sind von tierischem Eiweiß; Samen und Früchte gibt es nämlich noch nicht im zeitigen Frühjahr! Und dieses tierische Eiweiß liefert nun einmal die bereits sehr früh aktive (Wald-) Ameise. Wenn zudem noch die viel größeren Königinnen zu ergattern sind, dann spezialisiert man sich gern auf solche!

Selbstverständlich nutzen auch viele andere Tiere das „Angebot“ unserer Schützlinge (Nahrungskette!)

Lieber Hans, deswegen brauchen Sie als Ameisenfreund keine Sorgen um die Waldameisen zu haben, das ist gesunde Natur unter sich! Nestschäden werden in der Regel rasch wieder repariert - und Individuenverluste ausgeglichen - Voraussetzung ist natürlich, dass wir Menschen dafür Sorge tragen, dass das Umfeld der Waldameisen auch ameisenfreundlich erhalten und gepflegt wird (Biotoppflege usw.!)

Nur in Ausnahmefällen kann einmal eine Installation von sog. Schutzhauben gegen Vogelfraß angebracht sein!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
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