Schutzhauben für Waldameisennester

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Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

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Brocken
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Schutzhauben für Waldameisennester

Beitrag von Brocken »

Hallo,

wir haben in unserem Wald etliche Ameisennester und wollen die auch gerne fördern.

Nun bin ich unsicher, ob es sinnvoll ist, die Nester zu schützen.

Gemäß einem Merkblatt auf waldwissen.de sind direkte Schutzmaßnahmen (Spechthauben etc.) unnötig und mit einem ganzheitlichen Waldbild unvereinbar.

Dagegen wird in den Büchern "Die Waldameise" von K. Gößwald eindringlich zu direkten Schutzmaßnahmen geraten.

Wie seht ihr das?

Vielen Dank und freundliche Grüße

Brocken
Jürgen Dittmer
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Schutzhauben für Waldameisennester

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Brocken,

die Frage nach der Notwendigkeit des technischen Schutzes der Nesthügel unserer Waldameisen wird immer wieder diskutiert und gehört, bis auf Ausnahmen, heute der Vergangenheit an.
Ich zitiere aus einer meiner Arbeiten bezgl. dieses Themas:
"Der Natur mittels jahrzehnte langer Pflegemaßnahmen und Nesthauben ganz einseitig und recht aufwändig ins Handwerk zu pfuschen erscheint heute, aufgrund moderner Erkenntnisse, schon eigenartig. Da ist mir eine Biotoppflege als Bestandteil forstlicher Maßnahmen schon lieber. Allerdings, vergessen wir es nicht: So manche Ameisenkolonie wurde einzig und allein auf diese Weise der Einzelnestpflege über die Jahrzehnte gerettet! In diesen Fällen muss man genannten Altvorderen dankbar sein, sie betrieben derartige Maßnahmen ja parallel zu heute als überholt geltenden forstlichen Vorgehensweisen! Da war so etwas auch nötig. Künftig sind aber neue Erkenntnisse einfließen zu lassen in Richtung modernerer, natürlicherer Methoden der Forstwirtschaft u n d damit „automatisch“: Der Waldameisenhege, eingebettet in eine allumfassende Biotoppflege!

Zusätzlich empfehle ich einmal einen Blick in meine Home-Page unter dem Thema "Waldrandgestaltung", da finden Sie Näheres über die Zusammenhänge.

Schutzhauben werden heute in der Regel nicht mehr empfohlen

Viel Spaß bei der Lektüre - Rückfragen sind immer willkommen!

Mit freundlichen Grüßen!

Jürgen Dittmer
Jürgen Dittmer
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Schutzhauben für Waldameisennester

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Borken,

ich melde mich noch einmal zu o.a. Thema: Man kann tatsächlich diskutieren, wie man möchte: Bei moderner Forstwirtschaft erübrigt sich der Einzelschutz der Nesthügel. Endlich kann die Waldameisen innerhalb der vernetzten Natur den Platz einnehmen, der ihr auch zusteht! Ich zitiere noch einmal eine weitere Passage aus meinen Aufzeichnungen:

"Waldameisen als Nahrung
(Wenn ich unter dieser Überschrift die Ameisen als Nahrung anführe, dann geschieht dieses ganz bewußt, und soll dem Naturfreund deutlich vor Augen führen, wie wichtig die Ameisenhege auch diesbezüglich zu bewerten ist. Der Logik des Systems der Natur folgend, ist die Waldameise selbstverständlich auch ein Glied innerhalb der Nahrungskette).
Der interessierte Beschauer wird, besonders im Winterhalbjahr, tief in die sonst so sorgsam gehütete Nestkuppel unserer Waldameisen eingegrabene Gänge entdecken. Hier waren Fressfeinde am Werk. Es waren Spechte, die auf diese Weise bis weit in den Nestkern vorgedrungen sind, um an die Beute Ameise zugelangen. Aber auch Futterreste und Nestmitbewohner, einschließlich deren Entwicklungsstadien, werden eifrig gesucht. Es geht dabei um solche Tiere, die sich wegen etwas gestiegener Außentemperaturen schon dort hin getraut haben, oder einfach dort überwinterten. In der wärmeren Jahreszeit suchen die Spechte besonders die schmackhaften Ameisenlarven und -Puppen, aber auch die Imagines selber. Es sind dieses die Erdspechte Schwarzspecht (Dryocopus martius, L.), der Grauspecht (Picus canus, Gmelin.) und der Grünspecht (Picus viridis), die diese tiefen Gänge graben.
Baumspechte, zu denen alle Buntspechte und der Wendehals (Jynx torquilla, L.) gehören, tun sich nur an auslaufenden Arbeiterinnen gütlich."
- Zitatende!

In der Tat ist es so, dass unsere Waldameisen gleichberechtigtes Glied der Nahrungskette in der Natur sind, ich kann das nicht alles in diesem engen Rahmen "verklickern". Auf jeden Fall ist es so: Sollte einmal ein Ameisennest durch seine "Gäste" arg zerstört sein, was selten vorkommt, besteht im modernen "Ameisenwald", also entsprechendem Biotop in zumutbarer Nähe , auf jeden Fall die Möglichkeit des Neubaus. Meistens reichen jedoch Reparaturen.

Nochmals mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
Brocken
Beiträge: 3
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Beitrag von Brocken »

Hallo Herr Dittmer,

das Buch von K. Gößwald ist ja auch nicht mehr neuesten Datums.

Aber warum wird das Schützen der Nester denn nicht (mehr) empfohlen:

Hat es sich nicht bewährt, ist es zu aufwendig oder vor allem deshalb, weil es einen einseitigen Eingriff in natürliche Abläufe darstellt (Aussperrung der Spechte)?
Das letztere finde ich nicht sonderlich überzeugend.

Ich habe ein wenig auf Ihrer Seite gelesen.
Interessant finde ich die Frage, was aus den Waldameisen wird, wenn die Fichte mehr und mehr verschwindet.
Nun, ich bin kein Ameisenfachmann, aber ich habe noch kein Waldameisennest im reinen Laubwald gesehen. Wir haben in unserem Wald durschnittlich mehr als 4 Nester/ ha Nadelwald, aber kein einziges im reinen Laubwald (mit hohem Stieleichenanteil).
Unsere Waldameisen konnten Borkenkäfer-Probleme in unserem Fichtenwald allerdings nicht verhindern.

Glauben sie wirklich, dass die Dichte an Ameisenhaufen im reinen Laubwald auch nur annähernd erhalten bleiben kann?

Grüße Brocken
Buschinger
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Beitrag von Buschinger »

Hallo Brocken,

Herr Dittmer hat das Wesentliche ja bereits geschrieben.
Nestschutzhauben werden von der DASW seit vielen Jahren nicht mehr empfohlen, mit Ausnahme von Nestern, die aufgrund von Not- und Rettungsumsiedlungen am neuen Standort vielleicht für 1-2 Jahre geschützt werden können.
Prof. Horstmann aus Würzburg, ehemals Mitarbeiter von Prof. Gößwald, hat dazu 1990 einen Beitrag in unserer Verbandszeitschrift geliefert: Horstmann, K.: "Kann man Rote Waldameisen schützen und vermehren?" Ameisenschutz aktuell Jahrgang 4 Heft 4 Seiten 2 ff. Dieser Beitrag hat ein Umdenken in der DASW eingeleitet.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Nestschutzhauben zunächst für ein enormes Wachstum der Völker sorgen können.
Die Erfahrung hat leider auch gezeigt, dass menschliche Schwächen den dauerhaften Erfolg torpedieren können: Sehr oft werden mit Anfangsbegeisterung Schutzhauben aufgestellt. Nach ein paar wenigen Jahren ist die Begeisterung abgeflaut, die Hauben werden nicht mehr kontrolliert, vergrößert, entkrautet usw..
Die Konsequenz waren zahllose Beispiele von Fällen, wo Ameisen wegen Verkrautung des geschützten Nestes auszogen, wo Nestschutzhauben in das Nest eingebaut wurden, wo Löcher die Hauben zur Falle für Kleinvögel machten und Anderes. Letztlich hat man vielerorts damit den Ameisen mehr geschadet als genützt.
Andererseits gedeihen Waldameisen an einem Ort, der ihre Ansprüche erfüllt (und das muss über Jahrzehnte gegeben sein!), auch ohne jede Schutzhaube. - Leider wissen wir bis heute nicht genau, welche Ansprüche die Waldameisen (-Arten) im Einzelnen haben. Zugang zu Wasser/ Bodenfeuchtigkeit, mehrere Baumarten, die über den ganzen Sommer hinweg Honigtau von verschiedenen Baumlaus-Arten liefern, Hinreichend Beute, Temperaturbedingungen und so weiter.

Der Rückgang der Fichte ist unproblematisch. Waldameisen können durchaus in reinen Laubwäldern (bes. mit Eiche; nicht in reiner Buche) hervorragend gedeihen; ich kenne Vorkommen in der Nähe von Würzburg. Die Nesthügel sind dort nur sehr flach, enthalten aber sehr große Individuenzahlen.
Üblicherweise werden in der modernen Forstwirtschaft auch Mischbestände angestrebt, wobei oft Kiefer mit eingestreut ist.

Viele Grüße,
Ihr A. Buschinger
!!! EINHEIMISCHE HAUSAMEISEN SIND KEINE SCHÄDLINGE per se !!! - Sie nutzen nur Baufehler bzw. Bauschäden zur Anlage ihrer Nester. Dies ist anders bei Exoten wie Pharaoameise, Pheidole spp. usw..
Jürgen Dittmer
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Ameisenschutzhauben

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Brocken,

über Ihre Fragen freue ich mich, nur so kann dieser wichtigen Problematik auf den Grund gegangen werden.

Zu Ihren Fragen:

1. Ihre Vermutung, der Bau von Ameisenschutzhauben habe sich nicht bewährt, sei zu aufwändig stimmt tatsächlich, zumindest zum Teil..... In zu vielen Fällen geriet irgend wann die Unterhaltung dieser Bauwerke in Vergessenheit! Dazu sei bemerkt, dass unter den Hauben regelmäßig aufwachsende Kräuter und Sträucher entfernt werden müssen........sonst wandern die Ameisen ab und suchen wo anders ihr Heil, das sie nur dann finden, wenn der Waldbestand einigermaßen „ameisengerecht“ bewirtschaftet wurde. Sonst siedeln sie sich, notgedrungen, irgendwo an Wirtschaftswegen an, wo sie dann meist besonders gefährdet sein werden. – Und die Haube wandert nicht mit.....
In naturnahen Wirtschaftswäldern hingegen findet sich rasch eine neue Möglichkeit zur Ansiedlung, aber, da brauchen wir keine Schutzhauben!
2. Nesthügel sind normaler Weise in ständigem Wachstum begriffen, häufig wachsen diese dann in das sie schützende Geflecht hinein, das wiederum bedeutet Einleitung von Nässe und Kälte ins Nest. Beides ist äußerst schädlich für das Durchbringen der Brut!
3. Das Aussperren der Spechte ist nur eines der vielen Beispiele, um die Nahrungskette zu erklären! Die Natur „funktioniert“ nur wirklich nachhaltig, wenn ihre sich seit Jahrmillionen „eingespielte“ Vernetzung weiterhin möglichst ungestört sein kann. Wir Menschen haben da viel wieder gut zu machen!
Auf jeden Fall ist es so, dass der Wald die Ameisen braucht (z.B. Regulierung der (Schad-) Insektenpopulation), ebenso brauchen dort befindliche Lebewesen auch einmal die Ameisen, zum Beispiel als wichtigen Eiweißlieferanten zur Jungenaufzucht, zur Überwindung der nahrungsarmen Wintermonate etc.! Hier schließt sich dann auch wieder der Kreis: Bei ausreichender Biotoppflege stellt diese „Ernte“ auch nicht die Existenz der Waldameisen infrage!
4. Auf das Problem Waldameisen und Borkenkäfer komme ich gleich noch zurück.
5. Seit Jahrzehnten sind sogenannte „Monokulturen“ in der Kritik wohl aller Naturfreunde. Sie erscheinen zu eintönig, aber eigentlich ist das Problem das, dass derartige Forste sehr anfällig sind gegen viele „Widersacher“ aus der Natur selbst: Tritt eine artspezifische Erkrankung auf, dann ist immer gleich der ganze Bestand betroffen! (z.B. Borkenkäferkalamität, aber auch Waldbrände!)
6. Das Thema Fichte ist ja bekanntlich derzeit in aller Munde und wird sich voraussichtlich infolge der globalen Erderwärmung noch verschärfen. Was ist da los! Ganz einfach: Die Fichte stockt zu einem riesigen Prozentsatzanteil auf Standorten, an die sich dieser Baum nie „gewöhnen“ konnte. Die Fichte ist ein typischer Baum der kühlen und feuchten Standorte, meist Nordhänge. Dort leidet sie nicht unter den Trockniserscheinungen, die ja zum Kränkeln, zur Anfälligkeit und schließlichem Absterben führen! Und was noch dazu kommt: Dort hin „verfolgt“ sie auch nicht der mit Recht gefürchtete Borkenkäfer: Das Klima passt diesem nämlich gar nicht, und notfalls kann sich die dort viel gesundere Fichte auch erfolgreich gegen derlei Angriffe wehren.
Waldameisen können aus verschiedenen Gründen dem Borkenkäfer kein Paroli bieten, sagen wir es einmal so: die beiden Insektenarten würden sich von Natur aus kaum einmal begegnen, es gibt also keine Strategie, die den Ameisen diesen Zugriff ermöglichen könnte!

Übrigens: Die Fichte wurde aus wirtschaftlichen Gründen sehr verbreitet angebaut, andere, also, ökologische Zusammenhänge kannte man vor zwei Jahrhunderten auch noch nicht!

Heute wissen wir, dass die Bewirtschaftung der Wälder möglichst risikoarm erfolgen muss, die Gründe dafür sind bekannt und müssen an dieser Stelle nicht noch wiederholt werden. Das, wiederum, gelingt uns, unter anderem, mit dem Anbau und der Pflege artenreicher Mischbestände – und, nicht zuletzt, der Sicherung des Fortbestandes unserer Waldameisen, die maßgeblich beteiligt sind an diesen Vorgängen!

Allgemeines zu den Baumarten:

Waldameisen kommen von Natur aus sowohl in Nadelwäldern als auch in Laub- und Mischwäldern vor. Wenn man bedenkt, dass das Optimum im ganzsommerlichen Nahrungsangebot liegt, erweisen sich Mischbestände als vorteilhafter. Solchen Beständen gestatten den unterschiedlichen Bionomien der Phloemsaftsauger (Honigtau spendende Pflanzenläuse) vom Frühjahr bis in den Spätsommer hinein ziemlich zuverlässiges Nahrungsangebote. Aus dieser Sicht sind Eichenbestände (Quercus robur, Q. petraea) mit der „dienenden“ Hainbuche (Carpinus betulus) und natürlich allen weiteren Baumarten, ganz besonders ertragreich: Die Hainbuche „eröffnet die Saison“ im zeitigen Frühjahr mit dem sogenannten „Blutungssaft“, die Ahornarten (Acer pseudoplatanus, A. planatoides etc) mit ihren Aphiden (insbes.die Norwegische Ahornborstenlaus, Chetophorella aceris), noch vor dem Schlüpfen des Grünen Eichenwicklers (Tortrix viridana) und den verschiedenen Phloemsaftsaugern (Eichenlachniden) und weiteren, oft bis zu 300 verschiedenen Insektenarten auf der Eiche, die den ganzen Sommer über reichlich Nahrung bieten. Alle anderen Baumarten bewirten weitaus weniger artspezifische, nahrungsbietende Insekten, die zudem nur gemäß der speziellen Bionomie greifbar sind, also schlüpfen. In diesen Fällen wechseln Waldameisen die Nahrungsbäume stets nach dem optimalen Nahrungsangebot. Also: je mehr verschiedene Beutetierarten und Phloemsaftsaugerarten ein Baum bewirtet, desto mehr überlappen sich die Schlupfzeiten, und desto durchgängiger ist die Ernährung der Waldameisen gesichert! Die Eiche ist diesbezüglich sehr vielseitig. Fichtenbestände bieten dagegen ein wesentlich größeres Angebot an Nestbaumaterialien und das auch noch in unmittelbarerer Nestumgebung. Auf diese Weise entstehen hier oft die imposantesten Nesthügel. Das macht diesen Baum in den Köpfen der meisten Ameisenfreunde auch zum eigentlichen „Ameisenbaum“.
Über die Vorteile der Eichen lasen Sie ja nun einige, aber wohl die wichtigsten Anmerkungen.
Herr Prof. Dr. Buschinger gab mir dankenswerterweise „Schützenhilfe“ bei der Beantwortung Ihrer Fragen, trotzdem möchte ich meine Antwort, jetzt etwas kürzer, fortsetzen:
Reine Buchenbestände für eine erfolgreiche Ansiedlung unserer Waldameisen sind recht ungeeignet. Die Gründe sind zu finden in der recht unbarmherzigen Schattenwirkung und Dominanz der Buche in ihrem Optimum gegenüber anderen Baumarten. Das wiederum zieht ein besonders kühles Kleinklima nach sich. Dieses besondere Buchenklima ist zusätzlich zu der großen Schattenwirkung noch gekennzeichnet durch die hier übliche besonders hohe Luftfeuchtigkeit, die zurückzuführen ist auf die hohe Wasserverdunstung. Man spricht von Tagesmengen bis zu 400 Litern je hundertjährigem Baum! - Und das entspricht nicht den Ansprüchen dieser Insektenart.
Eine Anpassung der Waldameise hat wohl auch nie stattgefunden, da auch die Nahrungsgrundlage hier recht bescheiden ist. Es muss allerdings auch nicht jeder Quadratmeter Wald mit Ameisen besiedelt sein! Vielmehr gilt es, Waldameisen dort zu fördern, wo ein natürliches Vorkommen dauerhaft und ohne weitere Einmischung durch den Menschen möglich ist! – Und dauerhaft möglich ist die Besiedlung durch Waldameisen beispielsweise auch in naturnahen Waldrändern, selbst „ameisenfeindlicher“ Bestände mit hohem Buchenanteil! Immerhin können von hier aus „sporadisch“ frei werdende Bereiche besiedelt werden, die durch natürlichen Abgang oder der Zielstärkennutzung im modernen Wald entstehen! Die so entstandenen Innen- und Strukturränder ernähren durchaus auch „ihre Waldameisen“!
Fichtenbestände zählen im Kopfe der allermeisten Naturfreunde als die typischen Ameisenwälder schlechthin. Wie ich gern immer wieder betone, ist das eher ein Trugschluss, der von den mächtigen „Ameisenburgen“ (= Schattennestern) herrührt. Vom Nahrungsspektrum, Licht und der Wärme her verspricht ein reichhaltiger Mischbestand mit Eiche, eventuell aber auch mit „eingesprengter“ Fichte, ein weitaus günstigeres Ameisenbiotop.
In den besonders heißen und warmen Sommermonaten der Jahre 2003 u. 2006 war es vielerorts die tiefwurzelnde Eiche, die weiterhin genügend Pflanzenläuse vorhalten konnte!

Wie Sie sicher bereits erkannt haben, kann man über dieses Thema lange fachsimpeln, es gibt immer noch etwas hinzuzufügen. Ich denke aber, das bis hier Gelesene führt Sie weiter!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
Jochen
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Nest von Formica pratensis von Grünspechten arg geplündert

Beitrag von Jochen »

Hallo zusammen,
wir haben ein Obstgrundstück an einem Südhang, auf dem wir ein ca. 60 cm durmessendes Nest von der großen Wiesenameise haben. Aktuell haben Grünspechte das Nest ziemlich umgegraben (So bis 20 cm tief). Heute haben die Ameisen in großer Zahl Puppen in Sicherheit gebracht.
Soll ich das weiter laufen lassen oder soll ich da für ein par Wochen ein Vogelnetz drüber spannen?
Gruß
Jochen Gallenkamp
Jürgen Dittmer
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Nestschutzhauben ja- oder nein?

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Hallo, Jochen,

generell bin ich kein Freund von Nestschutzhauben! Wie das aber im Leben oft so ist, gibt es auch Ausnahmen. Unsere Hügel bauenden Waldameisen leben heute (noch) nicht immer so, dass nicht irgend wie doch menschliche Hilfe vonnöten ist.

"Ihre" Kolonie der Wiesenwaldameise (F. Pratensis) befindet sich innerhalb einer Obstplantage, die sicher auch eine magische Anziehungskraft ausübt auf Schwarzdrosseln? Ich vermute nämlich, dass die von Ihnen beschriebenen Nestschädigungen zumindest zum großen Teil auf deren Konto geht. Drosseln zerstören oft die kompletten Nestkuppen, ohne sich auf die bekannten tiefen Löcher, wie sie der Specht gräbt, zu beschränken.

Da die Populationen der Schwarzdrosseln in Obstplantagen, städtischen Parks etc. meisten unnatürlich indviduenreich sind, besteht hier auch immer große Gefahr für unsere Waldameisen. Ich empfehle daher, ein solches Nest wie Ihres besonders zu schützen!
Allerdings hat es die Erfahrung gezeigt, dass Netze denkbar ungeeignet sind für ein solches Vorhaben. Daher empfehle ich Ihnen, eine Haube mit Holzlatten und Kückendrahtbespannung selbst herzustellen. Darin verfangen sich etwa doch einmal eingedrungene Vögel nicht, um elendig zugrunde gehen zu müssen. Es gibt im Handel allerdings auch fertige Schutzhaben zu kaufen. - Auf jeden Fall muss die Größe der Nestschutzhauben "auf Zuwachs" installiert sein.

In der freien Natur ist bei "ameisengerechtem Biotop" in der Regel keine besondere Gefahr für die Waldameisen durch Vögel gegeben. Mit geringen Schäden werden sie "locker" fertig!

Ganz nebenbei: Interessant für diese Jahreszeit ist die Tatsache, dass Sie Arbeiterinnen beobachteten, die Puppen transportierten.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
Jochen
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Meine Wiesenwaldameise (F. Pratensis)

Beitrag von Jochen »

Hallo Jürgen,
vielen Dank für Deine rasche Antwort. Hab bereits eine Haube gebaut und werd in der nächsten Zeit ein par Fotos machen.
Ob Drosseln oder Grünspechte die Übeltäter waren, kann ich mit Sicherheit nicht sagen, hab allerdings in den letzten Tagen nur Grünspechte auf dem Grundstück gesehen. Vögel waren es ganz sicher, was man an den Kotspuren erkennt.
Das Grundstück liegt an einem Südhang an der Saar, relativ geschützt. Die zwei Bienenstöcke, die ich dort stehen habe, sind trotz des eigentlich kalten Winters aktuell auch schon wieder in der Eiablage und tragen Pollen ein, so daß ich mich nicht wirklich gewundert hatte, dass bei den Ameisen Brut zu sehen war. Sind Ameisen eigentlich später dran als Bienen?

Nochmals vielen Dank für die Info

Jochen Gallenkamp
Buschinger
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Beitrag von Buschinger »

Hallo Jochen,

Den Kot von Spechten kann man leicht erkennen: Die "Würstchen" sind charakteristisch gekrümmt, wie ein Spaziestock, oder wie der Großbuchstabe "J".

Viele Güße,
A. Buschinger
!!! EINHEIMISCHE HAUSAMEISEN SIND KEINE SCHÄDLINGE per se !!! - Sie nutzen nur Baufehler bzw. Bauschäden zur Anlage ihrer Nester. Dies ist anders bei Exoten wie Pharaoameise, Pheidole spp. usw..
Jürgen Dittmer
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Wiesenwaldameisen F. pratensis

Beitrag von Jürgen Dittmer »

Lieber Jochen,

es ist schon interessant, eine Diskussion über Hügel bauende Waldameisen, in diesem Falle F. pratensis, quer durch Deutschland (nahezu) zu führen! Die Verhaltensweisen unserer Waldameisen werden sich sehr ähneln, aus klimatischen Gründen können sich durchaus unterschiedliche Abläufe zeigen. Der vergangene Winter ist wohl hier wie da lang gewesen. Vielleicht meldet sich das Frühjahr, bzw. zwischenzeitliche Vorboten davon, bei Ihnen in „südlicheren Gefielden“ etwas mächtiger an. Damit wäre es dann auch denkbar, dass Sie bereits Puppen der Wiesenameisen sehen konnten. Irgendwann müsste ja ein Anreiz stattgefunden haben zur ersten Eiablage durch die Königin (-nen). Und aus den Eiern müssen sich dann erst einmal über das Larvenstadium Puppen entwickelt haben! In 2008 gab es in den Monaten Januar und Februar immer wieder kurzfristige Gelegenheiten, die die Königin (-nen) zur Eiablage stimulierten. Wir hatten aber auch keinen richtigen Winter. Diese Voraussetzung erlebten wir hier im Norden heuer vielleicht gerade und erstmalig vor ein paar Tagen! Und bei den wenigen Pratensis – Kolonien, die ich hier kenne, rührt sich bis heute überhaupt noch nichts im Gegensatz zu einzelnen F. polyctena – Kolonien – daher meine Verwunderung.

Um Parallelen zu ziehen zur Honigbiene: Vor ein paar Tagen sprach ich mit einem Imker, der froh war, bei seinen Bienen endlich einen längst fälligen Reinigungsflug beobachten zu können. Ansonsten tue sich da noch gar nichts. Aber, da gibt es selbst auch kleinräumige Unterschiede: Etwa Mitte Februar berichtete mir ein örtlicher Imker vom ersten Reinigungsflug nach vielen Wochen. Seine Bienen stehen an einem warmen und windstillen Sonnenhang. - Am folgenden Tage kehrte der Winter wieder zurück.

Kurzum: Für „uns hier oben“ ist es schon erstaunlich, dieses Jahr und zu dieser Zeit bereits Berichte zu lesen wie den Ihrigen.

Man sah Ihrem Beitrag im Forum ja auch nicht an, aus welcher Ecke Deutschlands er kam.

Zu Ihrem Bericht zu den Schäden durch den Grünspecht kann ich aus der Ferne natürlich nichts sagen. Zu der Annahme einer möglichen Beteiligung von Schwarzdrosseln kam ich, da es häufig in der Nähe menschlicher Besiedlung vorkommt, dass die eine oder andere Tierart überproportional vorkommt. Auch Prof. Dr. Gößwald machte in seinen Werken gelegentlich darauf aufmerksam und riet von der Ansiedlung Hügel bauender Waldameisen in derartigen Gebieten ab.
In einer „meiner“ zahlreichen Kolonien von F. pol. habe ich beispielsweise meine Not mit Elstern – auch wieder in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer menschlichen Siedlung.

Dort, wo die Natur noch einigermaßen intakt ist, da beraubt sie sich gewöhnlich nicht ihrer eigenen Nahrungsgrundlage! (Stichwort: Nahrungskette)

Dieses als Antwort auf Ihre Anfrage!

Mit der Verwendung Ihrer Nestschutzhaube wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dittmer
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