Der "Neue Seifert" und Polyergus rufescens
Verfasst: 04. Sep. 2007, 20:09
Das Studium des Kapitels über Polyergus rufescens im "Neuen Seifert" hat mich veranlasst, einige Fragen aufzuwerfen.
Ich schreibe in diesem Forum, weil mir bekannt ist, dass hier Experten mitarbeiten, die mir beim Lösen einiger Probleme wahrscheinlich behilflich sein können.
1. In der neuen Ausgabe findet sich auf S. 331 folgender Satz:
"Sklaven-Arbeiterinnen können die Raubzüge begleiten, gegen Arbeiterinnen des angegriffenen Nestes Tötungskämpfe führen und den Rücktransport der Beute unterstützen"
Nun, ich habe in den letzten 10 Jahren bestimmt über 200 Raubzüge der Amazonen bei etwa 2 Dutzend Polyergus-Nestern beobachten können und glaube doch, dass ich mich da gut auskenne. Aber ich konnte kein einziges Mal - auch nicht ansatzweise - ein Mitlaufen von Serviformica-Arbeiterinnen feststellen. Ich bin vielmehr zur Ansicht gelangt, dass die Sklavenameisen den Pheromon-Botschaften der Amazonen zwar mit einiger Aufregung, im wesentlichen aber mit absoluter "Ratlosigkeit" gegenüberstehen.
Jetzt würde es mich natürlich interessieren, ob einer unserer Fachleute jemals die von Dr. Seifert geschilderte Vorgangsweise beobachten konnte oder jene Literatur kennt, auf die sich der Autor bezieht.
2. Intermorphe-Ergatomorphe-Gynomorphe
In jedem größeren Nest von Polyergus rufescens kommen etliche Gynomorphe vor, die von den schwärmenden Königinnen im Habitus abweichen. Dies scheint geradezu typisch für Polyergus-Nester zu sein. Ich hatte doch gehofft, dass im Neuen Seifert dieses Phänomen aus verständlichen Platznöten wenigstens erwähnt wird.
Hier scheinen bereits die Begriffe nicht zu stimmen, denn diese Tiere sind wohl kein Zwischenstadium zwischen Vollweibchen und Arbeiterin und sie sind auch im Körperbau nicht mit einer Arbeiterin (Kriegerin) zu verwechseln. Ich verwende daher den in diesem Fall wahrscheinlich auch zu allgemeinen Begriff "Gynomorphe".
Rein äußerlich betrachtet handelt es sich eindeutig um Vollweibchen, sie sind mitunter etwas kräftiger gebaut als ihre "normalen" Geschwister. Sie sind grellrot gefärbt und flügellos.
Ein Link zu den Fotos:
http://ameisenforum.de/einheimische-eur ... fotos.html
a) Hier ergibt sich die Frage nach der Ausfärbung.
Polyergus-Weibchen sind in der Regel dunkelrot/rotbraun bis braunrot gefärbt, erst nach erfolgreicher Nestgründung machen alle Königinnen den Farbwechsel durch. Ich konnte dies auch in einem weisellosen Nest beobachten, die dort mit der Eiablage beginnenden Amazonen wechselten in einigen Tagen die Farbe. Es liegt die Vermutung nahe, dass es mit der Aktivierung der Ovarien zusammenhängt.
b) Diese Königinnen treten schwerpunktmäßig vor der eigentlichen Schwärmphase auf. Sie erscheinen meist vor dem Raubzug der Amazonen auf der Nestoberfläche und schließen sich diesem meist an, um nach dem Überfall durch die Geschwister in das Sklavennest einzudringen. Sie können das eigene Nest auch wieder betreten, was die Vermutung zulässt, dass diese Königinnen gar nicht begattet sind. Denn weder die "Alphakönigin" noch die Schar der Amazonen und Sklavenameisen würden weitere begattete Königinnen im Nest dulden.
Wo kommen die Königinnen dann aber her, sind sie Erstgeborene oder sind sie vom Vorjahr (ohne Schwärmen und Begattung) "übriggeblieben"?
Wenn sie aber nicht begattet sind, warum dringen sie dann in Sklavennester ein? Ist es nur zum Training für den Ernstfall?
c) Die These, dass diese "Gynomorphen" tatsächlich nicht begattet sind, hat sich für mich zumindest in diesem Fall als richtig erwiesen:
Ich ziehe jedes Jahr 2-3 Polyergus-Nester auf, um sie dann vor dem Schlüpfen der Amazonen in ein geeignetes Habitat freizusetzen. Nach einigen Misserfolgen bin ich inzwischen mit der Freisetzung sehr erfolgreich. Im Mai 2007 konnte ich erstmals 2 Völker, die in Ytong-Steinen beheimatet waren, nach der Aussetzung noch einige Wochen beobachten (und betreuen), weil die Völker in den Steinen verblieben waren. Aber im Nest, das ich mit der grellroten "Gynomorphen" gegründet hatte, sind nur Männchen "produziert" worden. Das war ein arger Rückschlag, weil ich schon vor Jahren immer wieder die eine oder andere "Gynomorphe" zur Nestgründung herangezogen hatte. Ich hatte diese Nester nach der Freisetzung nicht mehr finden können und muss jetzt davon ausgehen, dass diese Nestgründungen Fehlschläge waren.
Nach all dem bleibt die entscheidende Frage: Welche biologische Funktion haben diese "Gynomorphen" überhaupt?
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich einige Experten mit diesen Fragen auseinandersetzen und danke im voraus für die Mühe.
Beste Grüße von Boro
Ich schreibe in diesem Forum, weil mir bekannt ist, dass hier Experten mitarbeiten, die mir beim Lösen einiger Probleme wahrscheinlich behilflich sein können.
1. In der neuen Ausgabe findet sich auf S. 331 folgender Satz:
"Sklaven-Arbeiterinnen können die Raubzüge begleiten, gegen Arbeiterinnen des angegriffenen Nestes Tötungskämpfe führen und den Rücktransport der Beute unterstützen"
Nun, ich habe in den letzten 10 Jahren bestimmt über 200 Raubzüge der Amazonen bei etwa 2 Dutzend Polyergus-Nestern beobachten können und glaube doch, dass ich mich da gut auskenne. Aber ich konnte kein einziges Mal - auch nicht ansatzweise - ein Mitlaufen von Serviformica-Arbeiterinnen feststellen. Ich bin vielmehr zur Ansicht gelangt, dass die Sklavenameisen den Pheromon-Botschaften der Amazonen zwar mit einiger Aufregung, im wesentlichen aber mit absoluter "Ratlosigkeit" gegenüberstehen.
Jetzt würde es mich natürlich interessieren, ob einer unserer Fachleute jemals die von Dr. Seifert geschilderte Vorgangsweise beobachten konnte oder jene Literatur kennt, auf die sich der Autor bezieht.
2. Intermorphe-Ergatomorphe-Gynomorphe
In jedem größeren Nest von Polyergus rufescens kommen etliche Gynomorphe vor, die von den schwärmenden Königinnen im Habitus abweichen. Dies scheint geradezu typisch für Polyergus-Nester zu sein. Ich hatte doch gehofft, dass im Neuen Seifert dieses Phänomen aus verständlichen Platznöten wenigstens erwähnt wird.
Hier scheinen bereits die Begriffe nicht zu stimmen, denn diese Tiere sind wohl kein Zwischenstadium zwischen Vollweibchen und Arbeiterin und sie sind auch im Körperbau nicht mit einer Arbeiterin (Kriegerin) zu verwechseln. Ich verwende daher den in diesem Fall wahrscheinlich auch zu allgemeinen Begriff "Gynomorphe".
Rein äußerlich betrachtet handelt es sich eindeutig um Vollweibchen, sie sind mitunter etwas kräftiger gebaut als ihre "normalen" Geschwister. Sie sind grellrot gefärbt und flügellos.
Ein Link zu den Fotos:
http://ameisenforum.de/einheimische-eur ... fotos.html
a) Hier ergibt sich die Frage nach der Ausfärbung.
Polyergus-Weibchen sind in der Regel dunkelrot/rotbraun bis braunrot gefärbt, erst nach erfolgreicher Nestgründung machen alle Königinnen den Farbwechsel durch. Ich konnte dies auch in einem weisellosen Nest beobachten, die dort mit der Eiablage beginnenden Amazonen wechselten in einigen Tagen die Farbe. Es liegt die Vermutung nahe, dass es mit der Aktivierung der Ovarien zusammenhängt.
b) Diese Königinnen treten schwerpunktmäßig vor der eigentlichen Schwärmphase auf. Sie erscheinen meist vor dem Raubzug der Amazonen auf der Nestoberfläche und schließen sich diesem meist an, um nach dem Überfall durch die Geschwister in das Sklavennest einzudringen. Sie können das eigene Nest auch wieder betreten, was die Vermutung zulässt, dass diese Königinnen gar nicht begattet sind. Denn weder die "Alphakönigin" noch die Schar der Amazonen und Sklavenameisen würden weitere begattete Königinnen im Nest dulden.
Wo kommen die Königinnen dann aber her, sind sie Erstgeborene oder sind sie vom Vorjahr (ohne Schwärmen und Begattung) "übriggeblieben"?
Wenn sie aber nicht begattet sind, warum dringen sie dann in Sklavennester ein? Ist es nur zum Training für den Ernstfall?
c) Die These, dass diese "Gynomorphen" tatsächlich nicht begattet sind, hat sich für mich zumindest in diesem Fall als richtig erwiesen:
Ich ziehe jedes Jahr 2-3 Polyergus-Nester auf, um sie dann vor dem Schlüpfen der Amazonen in ein geeignetes Habitat freizusetzen. Nach einigen Misserfolgen bin ich inzwischen mit der Freisetzung sehr erfolgreich. Im Mai 2007 konnte ich erstmals 2 Völker, die in Ytong-Steinen beheimatet waren, nach der Aussetzung noch einige Wochen beobachten (und betreuen), weil die Völker in den Steinen verblieben waren. Aber im Nest, das ich mit der grellroten "Gynomorphen" gegründet hatte, sind nur Männchen "produziert" worden. Das war ein arger Rückschlag, weil ich schon vor Jahren immer wieder die eine oder andere "Gynomorphe" zur Nestgründung herangezogen hatte. Ich hatte diese Nester nach der Freisetzung nicht mehr finden können und muss jetzt davon ausgehen, dass diese Nestgründungen Fehlschläge waren.
Nach all dem bleibt die entscheidende Frage: Welche biologische Funktion haben diese "Gynomorphen" überhaupt?
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich einige Experten mit diesen Fragen auseinandersetzen und danke im voraus für die Mühe.
Beste Grüße von Boro