Der parasitische Pilz Aegeritella erneut aufgetreten

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Buschinger
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Der parasitische Pilz Aegeritella erneut aufgetreten

Beitrag von Buschinger »

Der parasitische Pilz Aegeritella erneut aufgetreten

Heute, 31. 07.2006, erhielt ich ein paar Formica polyctena-Arbeiterinnen aus der Umgebung von Marktl (Bayern), die sehr stark von einer Pilzerkrankung befallen waren.
Erkennbar ist der Befall anhand kleiner, rundlicher Auswüchse auf dem Körper und an den Beinen. Befallene Waldameisenvölker scheinen nach einigen wenigen Beobachtungen allmählich auszusterben.

Bereits 1982 berichteten wir über Beobachtungen dieser Ameisenkrankheit in Deutschland; eines der beiden Vorkommen war bei Darmstadt, eines in der Nähe von Düsseldorf. Ein weiterer Fall aus jüngerer Zeit ist mir vage in Erinnerung.
Ich füge mal das Bild einer befallenen Arbeiterin bei, das in unserer u.a. Publikation enthalten ist.

Es wäre äußerst wichtig, bei Umsiedlungen auf Befall mit dieser Erkrankung zu achten (einfache Lupe genügt!), damit nicht eventuell befallene Völker in der Nähe von gesunden Kolonien angesiedelt werden: Über den Ausbreitungsmodus des Pilzes ist NICHTS bekannt.
Weiterhin wären Meldungen über befallene Völker hilfreich, um ein Bild von der Verbreitung des Pilzes zu erhalten. (In einer Untersuchungsfläche in Polen waren 15 % von 514 untersuchten Völkern befallen).

Literatur:
Wiśniewski, J., Buschinger, A.(1982): Aegeritella superficialis BAĿ. et WIŚ., ein epizootischer Pilz bei Waldameisen in der Bundesrepublik Deutschland. Waldhygiene 14, 139-140.

A. Buschinger
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Waldameise mit Pilzbefall
Waldameise mit Pilzbefall
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Tamandua
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Re: Aegeritella

Beitrag von Tamandua »

Lieber Herr Buschinger,

bis vor Kurzem kannte ich Aegeritella nicht. Aber dank Ihrer unruheständlerischen Internet-Lehrtätigkeit ist sie mir nun bekannt. Und schon während der Lektüre Ihrer Ausführungen über diesen Pilz fiel mir ein, dass ich so etwas Ähnliches schon einmal gesehen hatte.
Als ich die Tiere damals in einer Probe fand, hielt ich auch eine Infektion durch einen mikrobiellen Erreger für möglich, habe die Sache aber nicht weiter verfolgt. Und Sie waren mir virtuell noch nicht wieder begegnet und daher nicht so unmittelbar kontaktierbar, und dann geriet die Sache halt in Vergessenheit, bis ich vor ein paar Tagen auf Ihre Informationen über Aegeritella gestoßen bin.

Bei meinem "Eingemachten" wurde ich fündig: In einer schon älteren Probe von F. polyctena befinden sich mehrere Tiere, die dunkelbraune, rauhe, warzige Wucherungen am ganzen Körper und den Extremitäten aufweisen, die den von Ihnen beschriebenen sehr ähnlich zu sein scheinen. Sie sind jedoch etwas kleiner als auf der von Ihnen gezeigten Abbildung, die Formica sind aber auch schon längere Zeit in Ethanol konserviert. Beim hier von mir gezeigten Tier sind die Wucherungen recht flach. Bei anderen in der Probe treten sie z. T. stärker hervor.

(Die gezeigten Bilder sind mit bescheidenen Heimgerätschaften angefertigt, bei Bedarf könnte ich auch bessere Optiken nutzen oder REM-Aufnahmen anfertigen. Näheres zur Herkunft der Tiere oder auch Exemplare per Post gerne, falls gewünscht).

Liebe Grüße
Tamandua
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Buschinger
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Beitrag von Buschinger »

Hallo Tamandua,

Das sieht sehr stark nach Aegeritella superficialis aus (falls sich unter diesem Namen nicht noch mehrere kryptische Arten verstecken).

Besonders interessant wäre tatsächlich der möglichst genaue Fundort und das (ungefähre) Datum.

Vielen Dank jedenfalls schon mal für die Nachricht und die doch recht guten Bilder!

Viele Grüße,

A. Buschinger
Tamandua
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Beitrag von Tamandua »

Hallo,

mal wieder, mich gibt´s auch noch.

Ich hatte zwischenzeitlich die weiter oben abgebildete F. polyctena mit dem sehr wahrscheinlichen Befall durch Aegeritella nochmals fotografiert. Diesmal mit besserem Gerät und aufwändigerer Technik.

Ich stell´ hier mal ein Foto ein und hoffe, dass es womöglich dazu beiträgt, einen Befall leichter zu erkennen. Man sieht deutlich die dunklen, warzenartigen Wucherungen auf dem rechten Auge des Tieres, zwischen diesem und den Ocellen und auf den Fühlerschäften.

Hoffe das Bildchen gefällt.

Liebe Grüße von
Tamandua
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Buschinger
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Aegeritella-Pilzbefall auch heute noch aktuell!

Beitrag von Buschinger »

An Tamandua ein verspätetes Dankeschön für das eindrucksvolle Bild!

Am 30./31. August 2008 habe ich zusammen mit meiner Frau im Raum Würzburg etwa 40 Waldameisennester kontrolliert, eigentlich auf der Suche nach dem Verbleib von Gebirgswaldameisen (Formica lugubris), die Anfang der 70er Jahre dorthin verpflanzt worden waren.
Im Gramschatzer Wald nördlich Würzburg fanden wir noch geringe Reste dieser Ameisen: Sie wiesen starken Aegeritella-Befall auf!
Ein benachbarter, sehr vitaler Kolonieverband von Formica polyctena dagegen scheint frei von dem Befall zu sein (so weit man bei jeweils 8-10 kontrollierten Ameisen aus einzelnen Nestern urteilen kann).
Im Klosterforst bei Kitzingen (östlich von Würzburg) trafen wir auf einen Kolonieverband von F. polyctena, in dem ein geringer Befall weniger Nester festzustellen war.
Auch hier war einst in der Nachbarschaft eine Ansiedlung von F. lugubris vorgenommen worden. Von diesen fanden wir hier allerdings keine Spuren mehr.

Aegeritella ist bisher erst an ein paar wenigen Stellen in Deutschland nachgewiesen worden! Unsere Funde sind neu und erweitern die Kenntnis des Verbreitungsgebietes erheblich.

Ich kann nur wiederholen: Man sollte bei Not- und Rettungsumsiedlungen auf Aegeritella-Befall achten! Er ist mit der Lupe erkennbar.
Ob der Pilz durch die Umsiedlungen früherer Zeiten weiter ausgebreitet wurde, lässt sich heute nicht mehr sicher feststellen. Aus dem Vorkommen im Klosterforst wurden nach meiner Erinnerung in den 60er Jahren sehr viele "Ableger" im Bundesgebiet verteilt.

Viele Grüße,
A. Buschinger

edit und PS: @ Tamandua, könnten Sie mir mal irgendwie mitteilen, wo Sie die von Ihnen abgebildeten befallenen Ameisen gefunden hatten?
Ich plane, nach den neuen Funden, wieder einmal eine kleine Veröffentlichung zu Aegeritella und würde gerne alle bisherigen Funde zitieren. Der Pilz scheint ja doch viel weiter verbreitet zu sein, als man bisher wahrgenommen hat.
!!! EINHEIMISCHE HAUSAMEISEN SIND KEINE SCHÄDLINGE per se !!! - Sie nutzen nur Baufehler bzw. Bauschäden zur Anlage ihrer Nester. Dies ist anders bei Exoten wie Pharaoameise, Pheidole spp. usw..
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