Kein Sozialparasit, keine eigene Art: Myrmica microrubra.
Verfasst: 19. Dez. 2005, 17:49
Seit der Benennung durch Seifert (1993) wurden die kleinen Geschlechtstiere (zuvor als Microgynen und Micraner bezeichnet) in Nestern von Myrmica rubra als eigenständige, sozialparasitische Art, Myrmica microrubra, betrachtet.
Nun ist es mit einem enormen Aufwand an Mitarbeitern (s.u. Autorenliste) und Techniken gelungen, zu zeigen, dass es sich doch nur um Angehörige der vermeintlichen Wirtsart Myrmica rubra handelt. Die Ursache für das Auftauchen solcher Zwerg-rubra ist damit noch immer nicht geklärt. Aber jedenfalls kann man sie nicht als Beweis für die Entstehung eines intraspezifischen Parasiten bzw. für sympatrische Speziation gebrauchen, wie das noch vor zwei Jahren versucht wurde: Savolainen, R. & Vepsäläinen, K. 2003: Sympatric speciation through intraspecific social parasitism. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 100: 71697174.
Mir war das Verhalten der so genannten Parasitenart schon immer suspekt (Buschinger, A. 1997: Ist Myrmica microrubra eine sozialparasitische Ameise? in: Soziale Insekten, IUSSI-Tagung Graz 1997, p. 25, K. Crailsheim & A. Stabentheiner (Hrsg.)), aber das Gegenteil zu beweisen, war schon echt harte Forschungsarbeit, bei der Fachleute mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen und methodischen Ausrüstungen kooperieren mussten.
Hier kann man die Kurzfassung online aufrufen (und sich auch sonst in der Zeitschrift Journal of Evolutionary Biology etwas umsehen):
http://www.blackwell-synergy.com/doi/ab ... 05.01053.x
Titel und Kurzfassung kopiere ich hier mal herein:
No sympatric speciation here: multiple data sources show that the ant Myrmica microrubra is not a separate species but an alternate reproductive morph of Myrmica rubra F. M. STEINER, B. C. SCHLICK-STEINER, H. KONRAD, K. MODER, E. CHRISTIAN, B. SEIFERT, R. H. CROZIER, C. STAUFFER & A. BUSCHINGER
Abstract
No aspect of speciation is as controversial as the view that new species can evolve sympatrically, among populations in close physical contact. Social parasitism has been suggested to yield necessary disruptive selection for sympatric speciation. Recently, mitochondrial DNA phylogeography has shown that the ant Myrmica microrubra is closely related to its host, Myrmica rubra, leading to the suggestion that sympatric speciation has occurred. We investigated the relationships between the two ant forms using mitochondrial and nuclear DNA sequences, microsatellite genotyping and morphometrics. Molecular phylogenetic and population structure analyses showed that M. microrubra does not evolve separately to its host but rather shares a gene pool with it. Probability analysis showed that mitochondrial DNA data previously adduced in favour of sympatric speciation do not in fact do so. Morphometrically, M. microrubra is most readily interpreted as a miniature queen form of M. rubra, not a separate species. Myrmica microrubra is not an example of speciation. The large (typical M. rubra) and small (M. microrubra) queen forms are alternative reproductive strategies of the same species. Myrmica microrubra Seifert 1993 is consequently synonymized here with M. rubra Linnaeus, 1758.
Anmerkung:
Ein in meinen Augen ziemlich bedenklicher Aspekt ist, dass die Herausgeber bzw. Gutachter der sehr renommierten Zeitschrift PNAS, in der die o.g. Arbeit von Savolainen & Vepsäläinen (2003) erschien, sich geweigert haben, unsere Arbeit zu veröffentlichen. Das zeigt, wie extrem vorsichtig man heute als Wissenschaftler sein muss, um nicht auf effektiv falsche Angaben (wie in der Arbeit S. & V. 2003) hereinzufallen: Eine Richtigstellung in der ursprünglichen Zeitschrift erfolgt nicht (will man sich nicht bloßstellen lassen?). Sie war nur in einer anderen (ebenfalls sehr renommierten) Zeitschrift möglich. Pech gehabt, wenn man auf die Arbeit in der PNAS aufbaut und die Richtigstellung im JEB übersieht: Da sind schnell viel Arbeitszeit und Forschungsmittel in den Sand gesetzt!
(Dies als kleinen Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsbetriebs).
A. Buschinger
Nun ist es mit einem enormen Aufwand an Mitarbeitern (s.u. Autorenliste) und Techniken gelungen, zu zeigen, dass es sich doch nur um Angehörige der vermeintlichen Wirtsart Myrmica rubra handelt. Die Ursache für das Auftauchen solcher Zwerg-rubra ist damit noch immer nicht geklärt. Aber jedenfalls kann man sie nicht als Beweis für die Entstehung eines intraspezifischen Parasiten bzw. für sympatrische Speziation gebrauchen, wie das noch vor zwei Jahren versucht wurde: Savolainen, R. & Vepsäläinen, K. 2003: Sympatric speciation through intraspecific social parasitism. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 100: 71697174.
Mir war das Verhalten der so genannten Parasitenart schon immer suspekt (Buschinger, A. 1997: Ist Myrmica microrubra eine sozialparasitische Ameise? in: Soziale Insekten, IUSSI-Tagung Graz 1997, p. 25, K. Crailsheim & A. Stabentheiner (Hrsg.)), aber das Gegenteil zu beweisen, war schon echt harte Forschungsarbeit, bei der Fachleute mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen und methodischen Ausrüstungen kooperieren mussten.
Hier kann man die Kurzfassung online aufrufen (und sich auch sonst in der Zeitschrift Journal of Evolutionary Biology etwas umsehen):
http://www.blackwell-synergy.com/doi/ab ... 05.01053.x
Titel und Kurzfassung kopiere ich hier mal herein:
No sympatric speciation here: multiple data sources show that the ant Myrmica microrubra is not a separate species but an alternate reproductive morph of Myrmica rubra F. M. STEINER, B. C. SCHLICK-STEINER, H. KONRAD, K. MODER, E. CHRISTIAN, B. SEIFERT, R. H. CROZIER, C. STAUFFER & A. BUSCHINGER
Abstract
No aspect of speciation is as controversial as the view that new species can evolve sympatrically, among populations in close physical contact. Social parasitism has been suggested to yield necessary disruptive selection for sympatric speciation. Recently, mitochondrial DNA phylogeography has shown that the ant Myrmica microrubra is closely related to its host, Myrmica rubra, leading to the suggestion that sympatric speciation has occurred. We investigated the relationships between the two ant forms using mitochondrial and nuclear DNA sequences, microsatellite genotyping and morphometrics. Molecular phylogenetic and population structure analyses showed that M. microrubra does not evolve separately to its host but rather shares a gene pool with it. Probability analysis showed that mitochondrial DNA data previously adduced in favour of sympatric speciation do not in fact do so. Morphometrically, M. microrubra is most readily interpreted as a miniature queen form of M. rubra, not a separate species. Myrmica microrubra is not an example of speciation. The large (typical M. rubra) and small (M. microrubra) queen forms are alternative reproductive strategies of the same species. Myrmica microrubra Seifert 1993 is consequently synonymized here with M. rubra Linnaeus, 1758.
Anmerkung:
Ein in meinen Augen ziemlich bedenklicher Aspekt ist, dass die Herausgeber bzw. Gutachter der sehr renommierten Zeitschrift PNAS, in der die o.g. Arbeit von Savolainen & Vepsäläinen (2003) erschien, sich geweigert haben, unsere Arbeit zu veröffentlichen. Das zeigt, wie extrem vorsichtig man heute als Wissenschaftler sein muss, um nicht auf effektiv falsche Angaben (wie in der Arbeit S. & V. 2003) hereinzufallen: Eine Richtigstellung in der ursprünglichen Zeitschrift erfolgt nicht (will man sich nicht bloßstellen lassen?). Sie war nur in einer anderen (ebenfalls sehr renommierten) Zeitschrift möglich. Pech gehabt, wenn man auf die Arbeit in der PNAS aufbaut und die Richtigstellung im JEB übersieht: Da sind schnell viel Arbeitszeit und Forschungsmittel in den Sand gesetzt!
(Dies als kleinen Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsbetriebs).
A. Buschinger