Messor capitatus: Hochzeit im Regen

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Gerhard Heller
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Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Messor capitatus: Hochzeit im Regen

Beitrag von Gerhard Heller »

Normalweise bevorzugen zumindest die mitteleuropäischen Ameisenarten für ihre Hochzeitsflüge sogenanntes gutes Wetter. Die Massenflüge von Lasius niger z.B. finden bei schwül-heißer Witterung vom späten Vormittag bis zum späten Nachmittag statt. Auch die großen Camponotus-Arten ligniperda, herculeanus und vagus schwärmen an sonnigen und warmen Mai/Juni-Tagen. Die Geschlechtstiere der Rasenameise Tetramorium caespitum fliegen bereits in den frühen Morgenstunden warmer Sommertage ab. Andere Arten wie z.B. Lasius emarginatus oder Lasius fuliginosus warten meist bis zum Einbruch der Dämmerung ab oder fliegen in warmen Sommernächten. Eigentlich fällt mir bei unseren einheimischen Arten kein Beispiel für einen „Schlechtwetter-Flieger“ ein.
Genau diese Strategie scheint aber die Ernteameise Messor capitatus zu verfolgen. Diese stattliche und stark polymorphe Art (Arbeiterinnen 4 – 13 mm) ist im Mittelmeerraum weit verbreitet. In Südwestfrankreich dringt sie relativ weit nach Norden vor (Bordeaux, Charente) und erreicht sogar die südliche Bretagne, wo sich ein anscheinend völlig isoliertes Vorkommen auf der Halbinsel Quiberon findet (Breitengrad etwa wie Freiburg i. Brsg.).
Bei zwei zwei Herbsturlauben (Oktober) in der Toscana beobachtete ich, dass jedesmal bei einem Wetterumschwung nach einer Schönwetterperiode der Hochzeitsflug durch Regen ausgelöst wurde. Während der Nacht oder am frühen Morgen hatte es angefangen zu regnen, und bereits um ca. 9 Uhr (Sommerzeit) liefen entflügelte oder noch geflügelte Königinnen in Massen (wie bei uns L. niger) im Gelände und auf Straßen umher. Der Regen war zwar nicht stark aber doch mehr als nur ein Nieseln.
Dass sich M. capitatus ein – nach unserem Empfinden – so mieses Wetter ausgesucht hat, ist durchaus von Vorteil: die jungen Königinnen können sich in die feuchten und weichen Böden viel leichter eingraben. Vielleicht sind bei Regen auch weniger Piepmätze unterwegs, die sich die fetten Brocken (die Königinnen sind gut 15 mm lang) sicher nicht entgehen lassen.
Ob weitere mediterrane Messor-Arten ein solches Verhalten zeigen, ist mir nicht bekannt. Einen Hochzeitsflug von M. barbarus in Portugal (Algarve) beobachtete ich Ende Oktober jedenfalls bei strahlendem Sonnenschein am frühen Nachmittag. Auch bei dem in Südwestdeutschland an wenigen Stellen heimischen M. structor treten die Geschlechtstiere bei warmer Witterung im April und Mai (überwinterte Tiere) und im September (im Sommer geschlüpfte Generation) außerhalb der Nester in Erscheinung.
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