Eine Ameisenexkursion im Odenwald

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Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

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Buschinger
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Eine Ameisenexkursion im Odenwald

Beitrag von Buschinger »

Bestens vorbereitet und organisiert von Herrn Schimpf, NABU Reinheim, war der Besuch einer Ameisenkolonie im Odenwald heute, Samstag, 09.07.05. Die Jugendgruppe samt Eltern war eingeladen, sich über Waldameisen, hier Formica polyctena, zu informieren und mit Beobachtungen und kleinen Experimenten etwas aus deren Leben hautnah zu erfahren.

Manche Anmeldungen hatten leider sogar abgewiesen werden müssen. Gegen 30 Kinder und einige Eltern fanden sich am Parkplatz oberhalb von Fränkisch-Crumbach ein (Bild 1)

Alle hatten, den Empfehlungen entsprechend, Gummistiefel mitgebracht. Sorgfältig wird ein Streifen Paraffinöl um die Schäfte gepinselt (Bild 2). Ameisen, die zu Hunderten über die ungebetenen Besucher herfallen würden, werden so weitgehend abgehalten. Zuerst waren die Kleinen dran, dann müssen sich auch die Erwachsenen der Prozedur unterziehen.
Nach ein paar einführenden Bemerkungen und bereits vielen Fragen, die ich den Kindern gleich zu beantworten hatte, zogen wir los.

Wir marschierten vorbei an einem der größten Hügel im Odenwald (edit: Siehe nächsten Beitrag!), besichtigten eine „Autobahnbrücke“, eine dicht belaufenes Stämmchen, das einen feuchten Graben überquert, und entdeckten dabei überraschend sogar einen „Ameisenfriedhof“ daneben.
Drei Gruppen wurden gebildet, die sich um drei gut zugängliche, typische Nester scharten. Jetzt hieß es für die Ameisen „Emslein, duck Dich“, und sich schnell in die Rillen des Stiefelprofils zu flüchten. Auf Bild 3 erläutert Herr Schimpf anhand von Farbbildern das Innere des Energiesparhauses Ameisennest, sowie die Entwicklung der Tiere usw., sichtlich spannend für Groß und Klein. Zwei weiter Betreuer vom NABU, Herr Simon und Herr Dr. Plainer, übernahmen die beiden anderen Gruppen.

Mittels Thermoelement wird die Behauptung überprüft, dass es im Nest wärmer ist als außen (Bild 4). Überzeugend: Pullover-Kühle von 17 Grad im schattigen Wald, während im Nest mit 27 Grad eher Schwimmbadtemperaturen herrschten.

Auch die Fütterungsversuche waren eindrucksvoll (Bild 5). Nicht alle, aber bei diesem Nest doch ein klares Plebiszit: Waldhonig schmeckt besser als Odenwälder Quellwasser!
Am Ende gelang es noch, Ameisenlöwen vorzuführen, wobei ein stattlicher Zimmermannsbock versucht hat, mir die Schau zu stehlen. Schade, dass die Zeit schon um war, aber mehr als zwei Stunden konzentrierte Aufmerksamkeit sind für die kids schon eine beachtliche Leistung.

Ich habe diesen Ausflug wirklich genossen. Nichts macht mehr Spaß, als aufgeschlossene, neugierige, wissbegierige Kinder in die Geheimnisse und in die Schönheiten unserer Natur hinein zu führen!

A. Buschinger

(Die Bilder werden durch Anklicken vergrößert!)
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Bild 5: Waldhonig ist doch was besonders Feines!
Bild 5: Waldhonig ist doch was besonders Feines!
Bild 4: Die Temperatur im Nest wird gemessen.
Bild 4: Die Temperatur im Nest wird gemessen.
Bild 3: Erläuterungen am Nest.
Bild 3: Erläuterungen am Nest.
Bild 2: Sorgfältig werden die Stiefel eingeölt.
Bild 2: Sorgfältig werden die Stiefel eingeölt.
Bild 1: Das Treffen am Parkplatz.
Bild 1: Das Treffen am Parkplatz.
Zuletzt geändert von Buschinger am 14. Jul. 2005, 16:10, insgesamt 1-mal geändert.
Buschinger
Beiträge: 1487
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Ein Riesennest im Odenwald...

Beitrag von Buschinger »

Als Ergänzung zum vorhergehenden Bericht will ich hier mal noch ein Foto zeigen von dem oben erwähnten Riesennest. Die Aufnahme entstand im Herbst 2004.
A. Buschinger
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Fr-Crumb AmRiesenn 006-1024web.jpg
F. Schimpf
Beiträge: 3
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Eine Ameisenexkursion im Odenwald

Beitrag von F. Schimpf »

Der Vorsitzende des NABU Ortsverbandes Reinheim/Ueberau, Herr Dietmar Wanke,
hat mich um Veröffentlichung dieses Briefes in diesem Forum gebeten.
Friedrich Schimpf
_________________________________________________________________________

NABU

Ueberau

1. Vors. Dietmar Wanke, Br.-Grimm-Str. 25, Tel 06162/5919
64354 Reinheim

Ameisenexkursion bei Fr.-Crumbach/Odenwald am 09.07.05

Der NABU Ueberau (Ortsteil von Reinheim/Odw.) bedankt sich ganz herzlich für die von der Deutschen Ameisenschutzwarte LV. Hessen gebotene Möglichkeit, zur kostenlosen Teil-nahme von zwei interessierten Mitgliedern an dem hervorragenden Waldameisen-
Seminar im Naturschutzzentrum Wetzlar am 3. und 4. 6. 2005.

Besonderer Dank an Herrn Dieter Bretz, Diplombiologe und Vizepräsident der Deutschen Ameisenschutzwarte für die ausgezeichnete Leitung der Veranstaltung und das umfassende und praxisnahe Wissen, das vermittelt wurde.

Anstoß zum Seminarbesuche war zunächst ganz vordergründig die Vorbereitung zur Durchführung einer Ameisenexkursion im Rahmen unseres Kinderprogramms 2005. Hinzu kam das grundsätzliche Interesse mehr über Leben, Ansprüche und Bedeutung der Ameisen im Ökosystem von Fachleuten zu erfahren.

Beide Ansprüche wurden voll erfüllt und wir haben jetzt zwei ameisenbegeisterte Aktive in unseren Reihen, die vielleicht noch weitere Ameisenaktivitäten in unserem näheren Umfeld starten wollen. Der erfolgreiche Auftakt wurde am 9.7.05 mit Unterstützung von Professor Dr. Buschinger gemacht.

In diesem Zusammenhang gebührt Herrn Professor Dr. Buschinger besonderer Dank, da er höchst entgegenkommend sofort nach Ansprache durch uns bereit war diese Veranstaltung nicht nur mit fachlichem Rat zu unterstützen. Er nahm sich auch die Zeit, die Exkursion zu begleiten und ging auf die Ansprüche der Kinder verständnisvoll ein.

Die Teilnehmer des oben genannten Seminars berichteten von der Möglichkeit der Partner-schaften oder Kooperationen zwischen der Ameisenschutzwarte und Naturschutzverbänden oder deren Ortsgruppen. Gibt es solche Partnerschaften schon oder wie könnte so etwas aus Sicht der Ameisenschutzwarte aussehen? Gibt es schon Kontakte zum Bundesverband oder Landesverbänden des NABU?

Über eine baldige Antwort würden wir uns freuen. Vielleicht ergeben sich ja daraus interessante Kooperationsmöglichkeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Wanke, 1.Vorsitzender
Klaus Berndt Nickel
Beiträge: 48
Registriert: 12. Jul. 2005, 21:25
Wohnort: 34270 Schauenburg

Partnerschaften zwischen ASW Hessen und Naturschutzverbänden

Beitrag von Klaus Berndt Nickel »

Sehr geehrter Herr Wanke,

schon seit Gründung der Ameisenschutzwarte Hessen in 1980 sind NABU-Ortsgruppen ( ehemals noch DBV ) Mitglied bei der ASW und in den letzten 15 Jahren sind noch einige Ortsgruppen hinzugekommen. Überwiegend sind es allerdings Gruppen aus Mittelhessen sowie Einzelmitglieder, die auch im NABU aktiv sind. Am Waldameisenschutz interessierte Ortsgruppen können jederzeit bei uns Mitglied werden und sind herzlich willkommen.
Die Zusammenarbeit zum Landesverband beschränkt sich allerdings zur Zeit nur auf lose Kontakte.
Des weiteren sind sehr viele Imkervereine Mitglied und mit dem LV Hess. Imker unterstützen wir das Hautflüglerzentrum am Bieneninstitut in Kirchhain.
Mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald haben wir einen Kooperationsvertrag.
Für weitere Auskünfte stehe ich jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Berndt Nickel
Landesvorsitzender ASW Hessen
F. Schimpf
Beiträge: 3
Registriert: 20. Jul. 2005, 17:32

Beitrag von F. Schimpf »

„Ameisenautobahn“

Herr Prof. Dr. Buschinger hat in seinem Bericht über die Ameisenexkursion im Odenwald (siehe Absatz 4 ) eine „Autobahnbrücke“ für Ameisen kurz beschrieben. Auf einem kleinen Rundholz überquerten viele Ameisen einen feuchten Graben, der sich dicht neben dem Ameisenhügel befand und den ganzen Zugang nach Osten fast unmöglich machte. Die meisten Exkursionsteilnehmer waren überrascht über die hohe Anzahl von Tieren, die sich in kurzer Zeit über den Engpaß bewegten. Dabei war unübersehbar, dass eine beispielhafte Ordnung beim Überqueren der Engstelle wie selbstverständlich eingehalten wurde. Eine Erklärung für diese Ordnung habe ich vor kurzem in einer Zeitung gelesen, siehe unten.

Kein Stau auf der Ameisenstraße
Warten bringt mehr als Drängeln, zeigen Biologen aus Toulouse

Das Gewimmel auf einer Ameisenstraße ist ein faszinierender Anblick. Dabei fällt auf, daß die Tierchen sich zwar zielstrebig bewegen, aber dabei keinen Stau verursachen. Nun hat die junge Biologin Audrey Dussutour von der Paul-Sabatier-Universität in Toulouse beobachtet, wie sich die Insekten bei Engpässen verhalten. Dussutour und ihre Kollegen haben zwei verschiedene Teststrecken für die Insekten gebaut: die eine führte über eine breite Brücke vom Nest zur Futterquelle, bei der anderen mußten die Ameisen eine nur drei Millimeter schmale Brücke überqueren. Höchstens zwei Ameisen paßten gleichzeitig nebeneinander auf diese Brücke, eine hervorragende Gelegenheit, um Gedrängel und Stau zu erzeugen.

Doch zum Stau kam es nicht, die Ameisen legten eine überraschende Geduld an den Tag: Am Beginn der Brücke angekommen, warteten sie, bis die ihnen entgegenkommenden Ameisen die Stelle überquert hatten. Dann ging die Ameisengruppe, die sich bis dahin angesammelt hatte, geschlossen über die Brücke, während die Ameisen auf der anderen Seite warteten. Das Verhalten erinnert an die Ampelschaltungen bei Baustellen, die abwechselnd Autos nur der einen oder nur der anderen Fahrtrichtung durchlassen.

Auch auf dünnen Ästchen oder in den engen Verbindungsgängen zwischen einzelnen Nestern einer: Kolonie hält dieses Verhalten den Verkehr am Fließen. Die Forscher haben auch nachgemessen, wie effizient der Transport auf den beiden Teststrecken ablief. Das Ergebnis: Trotz der Engstelle brachten die Ameisen genausoviel Futter zurück wie ihre Artgenossen, die keine schmale Brücke überqueren mußten. Drängeln bringt nichts, wissen die Sechsbeiner einfach. Was der Mensch durch die moderne Stauforschung erst allmählich lernt, haben die Ameisen sozusagen im Urin.
F. Schimpf
Beiträge: 3
Registriert: 20. Jul. 2005, 17:32

Beitrag von F. Schimpf »

Sehr geehrter Herr Nickel,

zunächst darf ich mich für Ihre Stellungnahme in diesem Forum vom 12.07.2005 herzlich bedanken. Nachdem nun die Sommerpause beendet ist, haben wir vor kurzem in einer Besprechung mit den aktiven Mitgliedern des NABU-Ortsvereins Reinheim-Ueberau folgende Beschlüsse gefasst:

1. Unser Ortsverein wird als Körperschaft der ASW Hessen beitreten.
2. Unsere beiden Vereinsmitglieder Erich Simon und Friedrich Schimpf, die am 3. und 4.6.2005 von Herrn Diplombiologen Dieter Bretz in einem Waldameisen-Seminar ausgebildet wurden, stehen ab sofort für Waldameisenkartierung im Großraum Reinheim zur Verfügung.
3. Die am 09.05.2005 sehr erfolgreich durchgeführte Waldameisen- exkursion für Kinder und deren Eltern werden wir wahrscheinlich in leicht geänderter Form im nächsten Jahr wiederholen.

Weiterhin freuen wir uns auf eine gute Zusammenarbeit mit Herrn Professor Dr. Buschinger, der in unserer Großgemeinde wohnt und uns in diesem Jahr schon in dankenswerter Weise unterstützt hat. Leider mussten wir feststellen, dass sich in unserer Gemeinde die Waldameisen im Rückzug befinden. Umso mehr begrüßen wir es, dass zwei Institutionen, die sich dem Erhalt der Natur verpflichtet fühlen, bemüht sind, etwas dagegen zu unternehmen. Auch dann, wenn es so aussieht, als ob man auf verlorenem Posten steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Wanke
1. Vorsitzender
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