Wie man sich „Läuse in den Pelz“ setzt

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Gerhard Heller
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Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Wie man sich „Läuse in den Pelz“ setzt

Beitrag von Gerhard Heller »

Bei einem Raubzug der Amazonenameise (Polyergus rufescens) beobachtete ich kürzlich, dass mehrere Amazonen-Arbeiterinnen aus dem geplünderten Formica-Volk Larven abtransportierten, die schon auf Distanz nicht ameisenmäßig aussahen. Der nähere Blick zeigte, dass es sich um Larven der Gattung Lomechusa (früher Atemeles, Familie Staphylinidae oder Kurzflügelkäfer) handelte.
Die Lomechusa-Arten sind Ameisengäste (Myrmecophile) mit ausgesprochen schmarotzerhaften Zügen und zeichnen sich durch einen bemerkenswerten Wirtswechsel aus. Nach dem Schlüpfen in einer Formica-Kolonie (Serviformica oder Formica s. str.) suchen die adulten Käfer eine Myrmica-Art auf (Adoption durch chemische Tricks), wo sie sich auch den Winter über durchfressen, indem sie ihre Wirte anbetteln und sich füttern lassen oder deren Brut vernaschen. Myrmica überwintert ja mit Brut, während dies bei Formica nicht der Fall ist. Der Käfer müsste also hier darben, da im Formica-Volk die sozialen Futterströme erlöschen. Im Frühjahr sind die Käfer geschlechtsreif geworden, paaren sich noch bei Myrmica und begeben sich dann zu Formica, wo sie Larven zur Welt bringen (Viviparie). Die Formica-Arbeiterinnen füttern die Lomechusa-Larven wie ihre eigenen, ja bevorzugen sie sogar bei der Pflege. Daneben ernähren sich besonders die jungen Lomechusa-Larven von Ameisenbrut. Glückerweise – für die Ameisen – sind sie auch kannibalisch, was den Schaden begrenzt.
Ihre bevorzugte Behandlung verdanken die Lomechusa-Larven Hautsekreten, die wohl Imitate der Attraktantien der Formica-Larven sind. Und darauf sind auch die Amazonen hereingefallen und haben sich somit diese „Läuse in den Pelz“ gesetzt. Die Beobachtung ist natürlich keinesfalls neu, aber vielleicht doch nicht so bekannt, als dass man nicht darüber im Forum kurz berichten könnte.
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