Fliegende ameisen - vermutl. Lasius brunneus - (A.B.)

Beratung bei Problemen mit Ameisen gibt es in diesem Forum.

Moderatoren: Gerhard Heller, Buschinger

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Benker
Beiträge: 2
Registriert: 19. Jun. 2008, 12:52

Fliegende ameisen - vermutl. Lasius brunneus - (A.B.)

Beitrag von Benker »

Wir haben nun zum zweiten Mal ein großes Problem mit fliegenden Ameisen im Wohnzimmer. Jeden Morgen sind die Fenster oder andere Lichtquellen voll mit Ihnen. Leider bleibt uns nichts anderes übrig, als alle wegzusaugen, aber der Nachschub läuft unvermindert weiter. Letztes Jahr war der Spuk nach ca. 2 Wochen vorbei - die sind nun allerding schon rum.
Offensichtlich kommen sie unter der Sockelleiste an der innenliegenden Wand hervor. Es ist ein Parkettboden auf Teppichboden verlegt. Zusätzlich liegt auf dem Teppichboden noch eine Schicht Zeitungspapier. Können sich die Ameisen von der Zellulose ernähren? Es ist kein Zugang nach draußen ersichtlich, aber es ist eine Erdgeschosswohnung. (keine feuchten Stellen)
Wir wollten grundsätzlich mal einen neuen Boden verlegen, aber nach dieser neuerlichen Plage wird das wohl demnächst der Fall sein. Es soll wieder ein Holzboden werden, allerdings mit einer Trittschallisolierung darunter. Wir haben nun Bedenken, trotzdem das gleiche Problem zu behalten. Können wir zusätzlich etwas tun? Was ist, wenn kein Nest ersichtlich ist? Kann man den Estrich mit etwas Abwehrendem vorbehandel?
Vielen Dank für eine Beratung.
Mit freundlichen Grüßen
Hiltrud Benker
Buschinger
Beiträge: 1490
Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
Wohnort: Reinheim

Beitrag von Buschinger »

Sehr geehrte Frau Benker,

Es spricht ja alles dafür, dass Sie ebenfalls mit Lasius brunneus zu tun haben (vielleicht auch L. emarginatus, aber das macht kaum einen Unterschied).
Wann die Geschlechtstiere ausfliegen, hängt sehr vom Witterungsablauf ab. Sind die Tiere „reif“, können sie innerhalb kurzer Zeit (1-2 Wochen) alle ausfliegen. Ist ein erster Teil abgeflogen und es folgt eine Wetterperiode mit für die Tiere ungünstigen Bedingungen, warten sie ab und kommen heraus, wenn es wieder besser ist. Das kann sich mehrfach wiederholen, so dass insgesamt Flugperioden von 1 Monat oder etwas mehr resultieren können.
Diese Ameisen können sich nicht von Zellulose (Zeitungspapier, Holz) ernähren. Sie benötigen Kohlenhydrate (in der Natur Honigtau von Blattläusen) und tierische Beute (andere Insekten usw.), die sie immer von draußen beschaffen (gelegentliche Futtersuche im Haus kommt vor; darauf beruht der Erfolg einiger Köder).
Die Straßen der Tiere zu ihren Jagdrevieren laufen teilweise unterirdisch oder verdeckt, so dass man sie nicht unbedingt direkt am Haus beobachten kann.

Meines Wissens kann man den Estrich nicht mit etwas Abwehrendem vorbehandeln.

Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob sich das Nest unter dem bisherigen Parkettboden oder in einer Wand befindet. Falls aber beim Herausnehmen des Bodens ein Nest (es kann sich über mehrere Quadratmeter erstrecken!) auftaucht, sollten Sie alles, was nach Nest und Ameisen und deren Müll aussieht, schnellstens mit einem Staubsauger aufnehmen. Mit Glück ist die Königin dabei!

Bei dem neuen Boden ist darauf zu achten, dass die Isolierung keine offene Verbindung zur Außenwand hat (wie man das macht, sollte die ausführende Firma wissen).

Im Forum werden ja eine ganze Anzahl von „Problemzonen“ beschrieben, unterschiedliche Isolierungen, im Erdgeschoss ohne Keller, mit Keller, in oberen Stockwerken, unter Flachdach usw. usw. – Jedes Mal muss man anders vorgehen.

Viele Grüße,
A. Buschinger
!!! EINHEIMISCHE HAUSAMEISEN SIND KEINE SCHÄDLINGE per se !!! - Sie nutzen nur Baufehler bzw. Bauschäden zur Anlage ihrer Nester. Dies ist anders bei Exoten wie Pharaoameise, Pheidole spp. usw..
Benker
Beiträge: 2
Registriert: 19. Jun. 2008, 12:52

Beitrag von Benker »

Sehr geehrter Herr Prof. Buschinger,

vielen Dank für die schnelle Antwort. Der Spuk ist erst einmal vorbei, aber das hat ja nicht wirklich etwas zu sagen.
Eine Frage habe ich nun noch. Sie schreiben, dass die Ameisen auf alle Fälle einen Ausgang nach draußen haben. Leider haben wir den bisher noch nicht entdeckt - vielleicht dann wenn der Boden rauskommt.
Warum nehmen die Ameisen bei ihrem Hochzeitsflug nicht diesen Ausgang sondern kommen plötzlich unter der Sockelleiste hervor und sammeln sich an den Fenstern oder Lampen?

Viele Grüße
Hiltrud Benker
Buschinger
Beiträge: 1490
Registriert: 26. Apr. 2004, 12:34
Wohnort: Reinheim

Beitrag von Buschinger »

Hallo Frau Benker,
"Warum nehmen die Ameisen bei ihrem Hochzeitsflug nicht diesen Ausgang sondern kommen plötzlich unter der Sockelleiste hervor und sammeln sich an den Fenstern oder Lampen?"
- Die Antwort wüsste ich auch furchtbar gerne! Das gäbe eine schöne Veröffentlichung.

Leider haben weder ich noch sonst ein Ameisenforscher bisher eine solche Antwort gefunden. So bleibt im Moment nur die Tatsache als solche bestehen.

Wir wissen noch nicht einmal, ob es irgendwo Völker gibt, die im Haus leben, und deren Geschlechtstiere tatsächlich direkt nach draußen abschwärmen!

Den meisten Betroffenen fallen die Ameisen erst durch die fliegenden Tiere im Haus auf, so dass man darüber etwas erfährt. Über einen durchgesackter Estrich, unter dem ein riesiges Nest von L. brunneus als Ursache festgestellt wird, hat noch niemand berichtet (riesiges Nest deshalb, weil von diesem die Produktion von Geflügelten ja erwartet werden kann).

Der Ausgang nach draußen kann sehr klein sein, Durchmesser weniger als der einer Stricknadel. Zudem können es mehrere Ausgänge sein, und sie können flach im Boden bzw. unter Steinen verlaufen. Lasius brunneus läuft am liebsten "in Deckung".

Viele Grüße,
A. Buschinger
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mariahellwig
Beiträge: 141
Registriert: 12. Jun. 2007, 12:27

Beitrag von mariahellwig »

Hallo Herr Buschinger,

könnte die Tatsache, daß sie oft im Haus ausschwärmen etwas damit zu tun haben, daß sie die klimatischen Bedingungen dort als günstiger einstufen?
Es fällt ja auf, daß sie für das Ausschwärmen warme Tage bevorzugen. Gerade morgens aber ist es im Haus deutlicher wärmer als draußen.
Gerhard Heller
Beiträge: 838
Registriert: 07. Jul. 2005, 12:19

Beitrag von Gerhard Heller »

Seifert (Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas, 2007) schreibt zu diesem Thema in Bezug auf L. emarginatus:
"Da Schwarmflug nur dann ausgelöst wird, wenn bei warmer Umgebungstemperatur die Lichtintensität unter eine bestimmte Schwelle fällt und diese Schwelle innerhalb von Gebäuden häufig eher unterschritten wird als im Freien, wird das Schwärmen regelmäßig auf die wohnungsseitigen Nestausgänge fehlgerichtet."

Ich nehme an, dass dies bei L. brunneus ähnlich ist.

G. Heller
Gesperrt